Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) die Hürden für Dieselkläger gesenkt hat, hält das Stuttgarter Landgericht eine neue Klagewelle für denkbar. Die Verbraucherkanzleien unternähmen hierfür große Marketinganstrengungen, sagte ein Gerichtssprecher. »Eine neue Klagewelle erscheint durchaus möglich.« Noch könne aber die Entwicklung nicht konkret abgesehen werden. Denkbar sei auch, dass die meisten prozesswilligen Kläger bereits geklagt haben. Das BGH-Urteil enthalte wichtige Grundsätze und Leitlinien für die Instanzgerichte, sagte er weiter. Es könne aber nicht pauschal gesagt werden, ob die Verfahren dadurch einfacher abzuarbeiten sind.
Der BGH hatte Ende Juni den Weg zum Schadenersatz für getäuschte Dieselfahrer deutlich erleichtert. Verbraucher, in deren Autos unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut wurden, haben demnach grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung. Allerdings muss nach wie vor nachgewiesen werden, dass es sich überhaupt um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Außerdem bewegt sich die Entschädigung im Korridor von 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises. Eine komplette Rückabwicklung kommt dann nicht mehr infrage.
Das Stuttgarter Landgericht war in der Vergangenheit von Zehntausenden Dieselklagen überrollt worden - und das mit Folgen: Hatte die Bearbeitung eines Zivilverfahrens 2017 noch durchschnittlich 6,8 Monate gedauert, waren es 2022 bereits 9 Monate. Zuletzt ging die Zahl der Klagen jedoch zurück. Im Jahr 2021 verzeichnete das Gericht noch rund 10.000 Eingänge, 2022 waren es nur noch rund 3000. Im ersten Halbjahr 2023 gingen nur noch rund 500 Verfahren ein. Die Gründe hierfür seien nicht bekannt, hieß es.
Insgesamt gingen seit 2018 rund 29.000 Verfahren am Stuttgarter Landgericht ein. Aktuell sind noch rund 750 davon nicht abgearbeitet.
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