Mercedes-Käufer haben beim Abschluss ihres Autokredits nicht das Recht aufgegeben, im Dieselskandal auf Schadenersatz zu klagen. Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte am Montag eine entsprechende Klausel in den Darlehensverträgen der Mercedes-Benz Bank für unwirksam. (Az. VIa ZR 1517/22)
Die Begründung dafür hat zwar nichts mit der Diesel-Problematik zu tun, wie die Vorsitzende Richterin Eva Menges in Karlsruhe erläuterte. Da die Klausel zu weit gefasst und daher insgesamt unwirksam ist, profitieren von dem Urteil aber auch Diesel-Kläger.
Der Kläger in dem Fall hatte sein Auto über die Mercedes-Benz Bank finanziert. Im Vertrag steht, dass der Darlehensnehmer als Sicherheit unter anderem auch gegenwärtige und zukünftige Ansprüche gegen Daimler an die Bank abtritt - »gleich aus welchem Rechtsgrund«.
Später verlangte der Mann Schadenersatz von der Mercedes-Benz Group, wie Daimler inzwischen heißt. Er behauptet, sein Auto sei mit verschiedenen unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet und stoße beim Fahren mehr giftige Abgase aus als erlaubt.
Wegen der Klausel im Finanzierungsvertrag war das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart der Ansicht gewesen, dass der Mann nicht zum Klagen berechtigt sei. Die obersten Zivilrichter sehen das nun anders: Der Kläger habe etwaige Ansprüche nicht wirksam abgetreten, sagte Menges.
Die Begründung ist etwas kompliziert und hat damit zu tun, dass die Klausel ganz unterschiedliche Forderungen umfasst. Dazu gehören nach dem Verständnis der Richter auch Ansprüche, die Verbrauchern entstehen, wenn sie nach Abschluss eines Darlehensvertrags von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Dadurch verschlechtere sich die Position der Käufer auf gesetzeswidrige Weise. Im konkreten Fall hatte der Kläger seinen Autokredit zwar gar nicht widerrufen. Der Senat erklärte die Klausel aber unabhängig davon für unwirksam.
Das dürfte eine größere Zahl an Verträgen betreffen, denn nach den Feststellungen in dem OLG-Urteil findet sich die beanstandete Klausel »regelmäßig« in den Darlehensbedingungen der Mercedes-Benz Bank. Mercedes hatte sich dazu auf Anfrage nicht äußern wollen.
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, die viele Diesel-Kläger vertritt, mutmaßte zu den Hintergründen: »Auf diese Weise wollte Mercedes sich offensichtlich unliebsame Klagen im Abgasskandal vom Hals schaffen.«
Die Stuttgarter Richter müssen nun in einem zweiten Anlauf klären, ob die Klage des Mannes inhaltlich berechtigt ist. Dazu teilte Mercedes mit: »Wir gehen davon aus, dass das OLG auch nach erneuter Befassung die Klage weiterhin als unbegründet ansehen wird.«
Bisher hatten sich Diesel-Kläger an Mercedes tatsächlich die Zähne ausgebissen. Denn anders als VW beim Skandalmotor EA189 war Mercedes und anderen Autobauern keine Betrugsabsicht nachzuweisen. Nach der Rechtsprechung des BGH scheiden Schadenersatz-Ansprüche damit aus.
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem März könnte das aber grundlegend ändern. Die Luxemburger Richter setzen die Hürden für Schadenersatz nämlich viel niedriger an. Demnach müssten Autokäufer auch dann schon entschädigt werden, wenn der Hersteller fahrlässigerweise eine unzulässige Abgastechnik eingesetzt hat. Die Frage ist jetzt, was der BGH für die deutsche Rechtsprechung daraus macht. Der »Dieselsenat« will sich in einer Verhandlung am 8. Mai mit dem Thema befassen. Dann geht es auch um einen Mercedes.
Andere Autobanken dürften von dem BGH-Urteil zu der Klausel nicht betroffen sein. Die Kanzlei Goldenstein Rechtsanwälte, die im Dieselskandal ebenfalls sehr aktiv ist, hatte zur Verhandlung Mitte März mitgeteilt, sie habe Tausende Finanzierungsverträge geprüft. »Die Dreistigkeit, durch AGB-Klauseln Schadensersatzklagen gegen den jeweiligen Mutterkonzern abzuwehren, hat unseres Wissens nach nur die Mercedes-Benz Bank besessen.« Nun erklärte Anwalt Claus Goldenstein, der BGH habe mit seinem Urteil einen Nachahmungseffekt verhindert.
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