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Aktuell Jubiläum

Baisinger Synagoge erinnert an Judenverfolgung

25 Jahre Gedenkstätte Synagoge im Rottenburger Stadtteil Baisingen und Erinnerung an die Judenverfolgung

Fredy Kahn (rechts), sein Vater lebte in Baisingen und überlebte die Konzentrationslager, im Gespräch mit Rottenburger Schülerin
Fredy Kahn (rechts), sein Vater lebte in Baisingen und überlebte die Konzentrationslager, im Gespräch mit Rottenburger Schülerinnen und Schülern. FOTO: ZABOTA
Fredy Kahn (rechts), sein Vater lebte in Baisingen und überlebte die Konzentrationslager, im Gespräch mit Rottenburger Schülerinnen und Schülern. FOTO: ZABOTA

ROTTENBURG. Mitten im Ortskern von Baisingen steht eine der am besten erhaltenen Landsynagogen in Deutschland. »Ein Glück, ein Wunder«, so Ortsvorsteher Philipp Küfer, nachdem die Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 so viele jüdische Gotteshäuser angesteckt haben.

Diese nicht. Eben weil sie mitten im Ort lag und die Nachbarn fürchteten, ihre Häuser könnten mit in Flammen aufgehen. Aus dem Haus, das Bethaus heißen sollte, haben sie dann eine Scheune gemacht. 1984 wurde es unter Denkmalschutz gestellt. 1989 gründete sich der Förderverein Synagoge Baisingen, der die Sanierung in die Hand nahm. Vor 25 Jahren, am 8. November 1998, feierte die Stadt die Wiedereröffnung der Synagoge als Gedenkstätte – und am vergangenen Wochenende dieses Jubiläum.

Synagoge als Gedenkstätte

Zur Jubiläumsfeier fanden sich viele Repräsentanten der Stadt ein, ohnehin ist Oberbürgermeister Stephan Neher Vorsitzender des Fördervereins. Neben Bürgern aus dem Ort kamen außerdem einige der Nachfahren von Baisinger Juden. Doch das Verhältnis der Baisinger zu ihren Mitbürgern jüdischen Glaubens war lange Zeit nicht ungetrübt. Deshalb stieß der Plan, der Synagoge wieder Leben als Gedenkstätte einzuhauchen, seinerzeit nicht überall auf Gegenliebe, stellte die Ethnologin Franziska Becker fest, die das jüdische Leben am Ort erforscht.

Viele Baisinger hätten in der Synagoge eher ein »unerwünschtes Mahnmal« für das eigene Versagen gesehen. Zudem hätten sich viele, wie überall, am Eigentum der deportierten Juden bereichert. Heute sei das ganz anders: »Es schwingt Stolz mit«, sagt Becker, »und freundlich weist man mir den Weg zur Synagoge«. Das sei auf die Arbeit des Fördervereins zurückzuführen.

Baisingen war bis zur Deportation 1938 mehr als 200 Jahre ein »Judendorf«. Unter der reichsritterlichen Herrschaft durften sie sich niederlassen, 1784 erbauten sie die Synagoge. 1933 lebten noch 86 Juden im Ort, rund zehn Prozent der Einwohner. Über 60 wurden deportiert, die meisten ermordet. Nur einer hat sich 1945 wieder in Baisingen niedergelassen: der Viehhändler Harry Kahn. Dessen Sohn Fredy Kahn, Jahrgang 1947, der als Arzt in Nagold praktizierte, hat an der Jubiläumsfeier teilgenommen. Zusammen mit Rottenburger Schülern saß er auf der Bühne und beantwortete deren Fragen. Wie es sich nach dem Holocaust in Baisingen gelebt habe? Er habe eine schöne Schulzeit verbracht, so Fredy Kahn.

Schnelle Täter-Opfer-Umkehr

Wie er mit den Ereignissen im Nahen Osten klarkomme – also mit Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober? Er sei überrascht, wie schnell mit zweierlei Maß gemessen werde und wie schnell eine Täter-Opfer-Umkehr stattfinde. Warum Gedenkveranstaltungen wichtig seien? Fredy Kahn: »Das waren oft Rituale, die ich nicht ertragen konnte. Erst als klar wurde, dass es nicht nur um die Nazizeit geht, sondern dass Juden seit über 1.700 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Deutschland leben, sehe ich die Erinnerung als positiv für unser Land an.« Kahn forderte die Leute auf, aktiv gegen Diskriminierung vorzugehen – auch wenn es Muslime betreffe.

Das Gedenken lebendig zu halten bleibt weiterhin die Aufgabe der ehrenamtlich arbeitenden Mitglieder des Fördervereins Synagoge Baisingen. (dz)