STUTTGART. Das Verhältnis des Landes Baden-Württemberg zur Deutschen Bahn wird auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Verkehrsminister Winfried Hermann hat das Verkehrsunternehmen ungewöhnlich scharf kritisiert. Auslöser sind Beeinträchtigungen von Fahrgästen, ausgelöst durch Arbeiten am Streckennetz der Bahn in der Region Stuttgart. Hermann ist sauer: »Wer so weitermacht, braucht am Ende keinen Bahnhof mehr, weil niemand mehr mit dem Zug fährt.«
Auslöser für den Krach sind Arbeiten für den Digitalen Knoten Stuttgart, die die Bahn der Öffentlichkeit Anfang Februar angekündigt hat – und deren Umfang sie nach Lesart des Ministers überraschend ausgeweitet hat. "Die Bahn kündigt ihre Baustellen viel zu kurzfristig an – ohne Rücksicht auf die Fahrgäste und ohne Rücksicht auf Verluste. Keine Sperrung der letzten Monate ist bisher rechtzeitig angekündigt worden.
»Wer so weitermacht, braucht am Ende keinen Bahnhof mehr, weil niemand mehr Zug fährt«
Und nur Tage vor der Sperrung wird jetzt der Zeitraum mal eben um mehrere Wochenenden verlängert." Tatsächlich hatte die Bahn Anfang Februar angekündigt, zwischen 22. Februar und 3. März in Feuerbach neue Leit- und Sicherungstechnik einzubauen. Wegen der Arbeiten konnten zwei der vier Gleise zwischen Zuffenhausen und Nordbahnhof nicht genutzt werden – mit weitreichenden Folgen für die Fahrgäste. Es fuhren nur zwei der sonst üblichen drei S-Bahn-Linien, die S 6 von Weil der Stadt kommend endete bereits in Zuffenhausen, zahlreiche Züge des Fernverkehrs machten einen Bogen um Stuttgart, Esslingen erfüllte zeitweise die Funktion des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Auch der Regionalverkehr von Stuttgart Richtung Norden und Westen des Landes war betroffen.
So weit, so bekannt, so schlecht für die Fahrgäste. Was bei Hermann aber die Zornesader anschwellen lässt: Die Bahn plant die selben Einschränkungen auch an den Wochenenden 8./9., 15./16. und 22./23. März – wovon das Ministerium nach eigenem Bekunden erst kurzfristig erfahren hat. »Solch gravierende Eingriffe wie die Abwicklung von Nah- und Fernverkehr über die bereits ausgelasteten S-Bahn-Gleise eines der größten Schienenknoten Deutschlands müssen rechtzeitig kommuniziert werden. Dann müssen alle Beteiligten gemeinsam Lösungen finden«, sagt Hermann. Es dürfe nicht darum gehen, »was am besten für die Baustelle ist, sondern was am besten für die Fahrgäste ist«.
Hermann sieht den Zeitdruck mit Blick auf die angekündigte Eröffnung von Stuttgart 21 im Dezember 2026 als maßgeblichen Grund für die zum Teil kurzfristig anberaumten Eingriffe in den Betrieb. »Es ist richtig, dass die Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm sich auf die Fertigstellung von Stuttgart 21 konzentriert. Aber dabei darf nicht der Rest der Bahn-Welt aus dem Blick geraten. Neben den Fahrgästen trifft das Tausende Beschäftigte.« Die Versuche, durch verlängerte Regionalzüge wenigstens die noch fahrenden Kapazitäten zu erhöhen, seien am Personalmangel bei der Bahn, die die Umsetzbarkeit hätte überprüfen sollen, gescheitert.
Die Deutsche Bahn betont in einer schriftlichen Stellungnahme die hohe Komplexität des Vorhabens Stuttgart 21 und des sogenannten Digitalen Knotens Stuttgart. »Alle Verbindungen zu bestehenden Strecken müssen getrennt und wieder neu verbunden werden, eine komplett neue Generation der Leit- und Sicherungstechnik im gesamten Knoten muss sukzessive fertiggestellt und abgenommen werden; und gleichzeitig sind zu alledem auch noch Sanierungsmaßnahmen an der störanfälligen Bestandsinfrastruktur in den Bauablauf zu integrieren.« Das alles mache »jedoch leider kurzfristige Sperrpausen erforderlich. Dies gilt auch für die aktuell anstehenden Baumaßnahmen in Stuttgart-Feuerbach bis 24. März.« Die umfangreichen Arbeiten blieben »leider nicht ohne Auswirkungen für Fahrgäste«. Die Bahn setzt darauf, dass nach dem Tal der Tränen Besserung eintritt. »Mit dem modernen, digitalisierten Knoten im Südwesten der Republik werden wir künftig deutlich mehr und viele schnellere Verbindungen anbieten können.« Es steht nicht zu erwarten, dass diese Versicherung zu Entspannung beim Landesverkehrsministerium führen wird. Stattdessen will man die Verantwortlichen alsbald zum Gespräch bitten. (GEA)