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Baden-Württemberg droht Abschwung und Steuerminus

Mit der Gas-Alarmstufe blühen nicht nur den Bürgern viel höhere Kosten. Das Land geht einer Rezession entgegen mit womöglich krassen Folgen für Haushalt und politische Vorhaben. Grün-Schwarz muss sich wohl neu sortieren und von so manchen Plänen Abschied nehmen.

Die verschärfte Gaskrise droht dem Land auch seine Haushaltspläne und viele politische Projekte zu verhageln. Die grün-schwarze Regierung sieht sich in ihren Befürchtungen bestätigt, dass wegen des Ukraine-Kriegs die Konjunktur und die Steuereinnahmen massiv einbrechen dürften. Die vom Bund ausgerufene Alarmstufe des Notfallplans Gas bedeute, dass sich die Gaspreise vervielfachen werden, schrieb Baden-Württembergs Finanzministers Danyal Bayaz am Donnerstag auf Twitter. »Das geht an die Substanz von Bürgern und Unternehmen und erhöht die Risiken der öffentlichen Haushalte massiv.« Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sagte, es stehe nun viel auf dem Spiel: »Die konjunkturelle Entwicklung ist abgeflacht und die Gefahr einer Rezession ist akut.« Die Position von Städten und Gemeinden im Finanzpoker mit dem Land haben sich durch die Gas-Alarmstufe auch nicht gerade verbessert.

Was tun - neue staatlichen Hilfen auf Pump?

Doch wie dieser Herausforderung zu begegnen ist, darüber sind sich Bayaz und Hoffmeister-Kraut uneinig. Der Grüne betonte erneut, der Staat werde nicht in der Lage sein, »alle Konsequenzen aufzufangen«. Die Wirtschaftsministerin forderte dagegen neue Finanzhilfen für Unternehmen. Die Ampel-Bundesregierung müsse alles unternehmen, damit die Wirtschaft und Wohlstand nicht noch stärker in Gefahr gerieten. »Deshalb brauchen wir dringend ein Entlastungspaket für die Wirtschaft, um ein Abgleiten in die Rezession zu vermeiden«, sagte die CDU-Frau. Die Südwest-Wirtschaft schlug Alarm und warnte vor Produktionsausfällen und Firmenpleiten.

Angesichts der deutlich verringerten Gaslieferungen aus Russland hat die Bundesregierung am Donnerstag die Alarmstufe ausgerufen. »Aktuell ist die Versorgungssicherheit gewährleistet, aber die Lage ist angespannt«, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Der Notfallplan hat drei Stufen: Die jetzt ausgerufene Alarmstufe ist die zweite. Die dritte wäre die Notfallstufe.

Bayaz hatte aus Sorge um Konjunktur auf Bremse getreten

Finanzminister Bayaz hatte schon Anfang Mai gewarnt, die Steuereinnahmen könnten im Herbst wegen des Ukraine-Kriegs und der anhaltenden Pandemie deutlich niedriger ausfallen als zuletzt angenommen. Die Steuerschätzung fiel dann Mitte Mai erfreulich aus, für die Jahre 2023 und 2024 sah sie insgesamt drei Milliarden Euro mehr Einnahmen vor. Wegen der Risiken nahm sich Grün-Schwarz aber vor, nur etwa 890 Millionen Euro mehr auszugeben im gesamten Doppelhaushalt 2023/2024. Die Ministerien sollen zudem 600 Millionen Euro sparen. Daneben wurde ein Puffer von 600 Millionen Euro eingebaut, falls die Steuereinnahmen einbrechen sollten.

Reicht der Puffer für höhere Inflation und Energiepreise?

Ein Sprecher von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte nun, der Haushalt werde trotz der Alarmstufe in einem geordneten Verfahren aufgestellt. »Dass es schwierig wird, ist kein Geheimnis.« Der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Markus Rösler, erklärte, man habe mit so einem Szenario gerechnet. »Daher haben wir in der Haushaltskommission im Mai mehr als eine Milliarde für Risiken in den kommenden beiden Jahren eingestellt - dazu gehört eine steigende Inflation, dazu gehören aber auch weiter steigende Energiepreise.« Darüber hinaus werde deutlich, dass ebenso aus finanziellen Gründen viel mehr Energie eingespart werden müsse, als das bisher der Fall gewesen sei - eben auch, um die Klimaschutzziele zu erreichen.

CDU-Fraktionschef Manuel Hagel schwant wegen der Gasknappheit Böses: »Was wir derzeit leider erleben müssen, ist vermutlich nur die Vorstufe auf das, was uns mit Blick auf den Herbst bevorsteht.« Er fügte hinzu: »Machen wir uns ehrlich: Auf der langen Linie müssen wir schnell mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien machen. Das wird uns heute jedoch nicht aus Putins Fesseln befreien. Langfristig wird es unser Land aber unabhängig machen.« Die neue Lage sei eine riesige Herausforderung für die Menschen, den Mittelstand, die Industrie sowie für Städte und Kommunen.

Für Kommunen ist die Verhandlungslage nicht leichter geworden

Noch am Mittwochabend rangen Land und Kommunen um die Verteilung der Kosten für ukrainische Kriegsflüchtlinge. Nach vier Stunden vertagten sich die Vertreter der Landesregierung und der Kommunalverbände. Städte-, Gemeinde- und Landkreistag waren dem Vernehmen nach noch nicht bereit, das Angebot des Finanzministers anzunehmen. Es geht um Kosten von mehr als einer halben Milliarde Euro. Nun soll kurzfristig ein neuer Termin für eine Fortsetzung der Gespräche gesucht werden. Beide Seiten zeigten sich aber zuversichtlich, noch eine gute Lösung bei den Kosten für die etwa 100 000 ukrainischen Geflüchteten im Land finden zu können. Das eigentliche Thema des Abends, der kommunale Finanzausgleich im Doppeletat, wurde dem Vernehmen nach gar nicht angeschnitten.

Es drohen Abstriche - beim Land und bei Kommunen

Diese Verhandlungen dürften sich nach den zähen Gesprächen über die Flüchtlingskosten und die noch unsichere Lage durch die Gasknappheit verzögern und länger hinziehen. Auch dabei wollen sich die Kommunen eigentlich nicht mit kleinen Beträgen abspeisen lassen. Im November hatte Bayaz Städte und Gemeinden auf die Beratungen des Doppeletats vertröstet. Damals kamen sie mit einer Forderung von 1,4 Milliarden Euro für weitere Investitionen in Schulen, Kitas, Digitalisierung, Kliniken, ÖPNV und Klimaschutz.

Ende Juni will der Finanzminister auch schon mit den Chefgesprächen mit den anderen Ministerien beginnen. Kurz vor der Sommerpause Ende Juli wollen sich erneut die Spitzen von Grünen und CDU treffen, um den Haushaltsentwurf für September vorzubereiten. Ende September soll dieser dann in den Landtag eingebracht und kurz vor Weihnachten beschlossen werden.

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