STUTTGART. Seitdem das Projekt lebenswerte Innenstadt im Gemeinderat mehrheitsfähig ist, hat das Auto in der City fast keine Chance mehr. Es wird fleißig zurückgebaut, Parkplätze fallen weg, Straßen umgewidmet. Aber es gibt auch eine Rückkehr des Automobils in die Innenstadt. Tesla war mit seinem Schaufenster im Dorotheen-Quartier der Vorreiter, andere ziehen nach. In diesen Tagen machte die Marke Polestar, ein Unternehmen von Volvo und dem chinesischen Daimler-Großaktionär Geely, den Anfang einer neuen Bewegung. Die E-Marke ist jetzt in der Kronprinzstraße 6 präsent.
»Ob es ein Trend ist, vermag ich nicht zu sagen«, erklärt Handelsexperte Jürgen Track vom Immobilien-Unternehmen Colliers in Stuttgart, »aber es ist schon auffällig, dass es im Moment viele Anfragen vor allem aus dem asiatischen und angelsächsischen Raum nach Flächen in der Innenstadt gibt.« Insbesondere die E-Automobilindustrie drängt in die Stadt. Genau so begründet auch eine Sprecherin von Polestar die Niederlassung zwischen dem Eiscafé Santin und Frankonia. »Wir müssen Elektromobilität voranbringen. Und das machen wir nicht in den Industriegebieten dieser Welt, sondern dort, wo die meisten Menschen sind: in der Innenstadt«, sagt die Sprecherin des schwedisch-chinesischen Unternehmens.
Faszination Automobil
Stuttgart sei nach Köln, Düsseldorf der nächste deutsche Standort von Polestar, weitere deutsche Niederlassungen sind geplant. Weltweit sind es 50 Dependancen, wo die E-Autos im Preis ab 44.000 Euro angeboten werden. Aus diesen Standorten bringt Polestar die Erkenntnis mit, wie lohnend es sein kann, seine Marke in der City zu präsentieren und bekannt zu machen. »Wir begrüßen dort zwischen 300 und 1 000 Menschen pro Woche«, so die Polestar-Sprecherin.
Für Citymanager Sven Hahn ist das ein Zeichen, dass die Faszination Automobil trotz einer Zeitenwende und des Strukturwandels in diesem Industriezweig lebt. »Auch mit unserem Format der Automesse auf dem Schlossplatz haben wir immer sehr viele Menschen in die Stadt gelockt«, sagt der Geschäftsführer der City-Initiative Stuttgart (CIS).
Diese Anziehungskraft machen sich aus seiner Sicht nun auch Polestar und andere zunutze. Gleichzeitig profitieren freilich andere Händler von dieser Attraktion und der damit verbundenen, höheren Frequenz. Aus diesem Grund begrüßt der Citymanager diesen Trend, der die Veränderung der Innenstadt mitprägen wird. Auch er erwartet, dass der klassische Handel weiter an Fläche verliert. Stattdessen werden Freizeitveranstalter, Büros und Gastro und eben neue Konzepte das Stadtbild mitprägen.
Tesla ist schon wieder weg
Dies gilt auch trotz des Abgangs des Pioniers dieser neuen Entwicklung. Wie auch Jürgen Track bestätigt, wird Tesla das Dorotheen-Quartier verlassen. »Sie haben ihr Ziel, den Bekanntheitsgrad zu steigern, erreicht. Jetzt zieht es Tesla in die Peripherie, um dort auch Dienstleistungen für ihre Kunden anbieten zu können«, sagt Track. Dennoch dürfte im Dorotheen-Quartier keine Lücke entstehen. Nach Lage der Dinge wird Porsche auf der Tesla-Fläche einziehen.
Jürgen Track könnte sich daher gut vorstellen, dass andere Unternehmen aus der Region nachziehen. Global Player aus der Region, wie etwa Würth, nutzen das Schaufenster Königstraße längst. Nun aber weiß man, dass auch die Marke mit dem Stern ihre Sichtbarkeit in der Stadt erhöhen wird. Im Haus des Tourismus, dem alten Standort von Breitling am Marktplatz, soll auch Daimler eine Rolle als einer von vielen Markenbotschaftern der Region spielen. Manch einer in der Stadt könnte sich vorstellen, dass Daimler dort auch seine neue E-Mobil-Flotte präsentieren könnte. (GEA)