STUTTGART. Das Frühlingsfest »light« ist nach einer Woche aus Sicht vieler Schausteller bis jetzt ein voller Erfolg. Sie freuen sich über viele Familien mit Kindern, nette, freundliche und friedliche Besucher, gute Geschäfte – und vor allem über deutlich weniger alkoholisierte Kunden an ihren Fahrgeschäften und Ständen. Die großen Festzelte vermisst deswegen von Schausteller-Seite kaum jemand.
Willi Moser hat wie viele seiner Kollegen in den vergangenen zwei Pandemiejahren praktisch nichts verdient. »Ich saß zu Hause und konnte nichts machen«, erzählt der Betreiber des Irrgartens Glasfabrik. Umso mehr hatte er sich auf das Stuttgarter Frühlingsfest gefreut. Und schon nach der ersten Festwoche ist er fast euphorisch: »Es ist fantastisch, ein Frühlingsfest, wie man es sich wünscht. Ich wünschte, es würde immer so bleiben!«
Moser beschreibt aus dem Kassenhäuschen seines Glasirrgartens heraus ein harmonisches Festgeschehen, wie er es selten zuvor erlebt hat. »Die Menschen sind toll, die Atmosphäre ist toll.« Das haben er und seine Frau auf dem Cannstatter Wasen vor Corona schon anders erlebt. Seine Frau sei freitags und samstagabends schon gar nicht mehr ins Kassenhäuschen gegangen, weil sie die Aggressivität und Beschimpfungen mancher Angetrunkener nervlich einfach nicht mehr ertragen hätte. »Hier sind die Menschen in keiner Weise aggressiv, wahrscheinlich weil sie nicht druckbetankt werden.« Deswegen vermisse er die Bierzelte nicht. »Für mich ist es ein harmonisches, tolles Fest.«
»Hier sind die Menschen nicht aggressiv, weil sie nicht druckbetankt werden«
Auch Doreen Franck hat in ihrer Ballwurfbude auf dem Wasen »richtig viel Spaß«. »Es sind unheimlich viele Familien unterwegs, so viele haben wir vor Corona nie gehabt.« Auch sie freut sich nach den beiden harten Pandemiejahren über ganz anderes, viel netteres Publikum. Es gebe weniger Streit, und es sei eben viel weniger Alkohol im Spiel als in den früheren Jahren. Die jungen Leute seien zwar trotzdem da, aber nicht mehr »kostümiert« und in der Gruppe, in der man sich stärker fühle und eine Bühne habe. »Das geht jetzt weniger in Richtung Party, dafür mehr in Richtung Volksfest«, sagt Wiebke Bruch und freut sich darüber, wie viele Familien mit Kindern die Aussicht aus ihrem Riesenrad genießen. »Das sind viel mehr als sonst«, sagt sie und hat im Gespräch mit ihren Fahrgästen auch den Grund dafür erfahren. Natürlich wollten viele nach zwei Jahren Corona wieder etwas erleben, aber die Familien mit Kindern genießen das Fest vor allem auch, weil eben weniger Alkohol im Spiel sei. Das höre sie von den Besuchern immer wieder und sagt: »Für uns ist das viel besser.«
»Man sieht, dass es auch ohne Bierzelte gut geht«, sagt Lutz Vorlop von der Achterbahn Rock-N-Roller-Coaster und spielt damit auf Äußerungen von Festwirten nach der Entscheidung für ein Frühlingsfest light an, die bezweifelt hätten, dass es funktionieren würde. Die Resonanz sei bis jetzt sehr gut, »nach zwei Jahren Pause greifen die Leute toll an«, sagt Vorlop. Und das ganz friedlich, auch Vorlop spricht von wenig Betrunkenen und »keinem Rüpelvolk«. Die Festbesucher würden auch noch abends kurz vor Schluss an seiner Achterbahn Schlange stehen.
Er kenne das auch anders und erzählt von Cannstatter Wasen-Erlebnissen vor Corona, als er mit seiner wegen der Einzelwagen besonderen Achterbahn in der Nähe der Festzelte stand. Beim abendlichen Schichtwechsel dort sei doch ohne Sicherheitspersonal nichts gegangen. Jetzt dagegen sei es harmonisch, und es würden zu späterer Stunde nicht überall Wildpinkler stehen. Er persönlich findet das Frühlingsfest ohne große Festzelte fast besser, wobei er auch sagt, dass die beim großen Cannstatter Volksfest allein schon wegen der vielen ausländischen Besucher natürlich dazu gehörten. Aber er kann sich Frühlingsfeste ohne und ein Cannstatter Volksfest mit Zelten durchaus vorstellen. Vorlop: »So ist es angenehm!«
Mark Roschmann ist der Vorsitzende des Schaustellerverbands Südwest und kann die Eindrücke eines bisher erfolgreichen Frühlingsfestes bestätigen. »Wir haben von Anfang an gesagt, dass es ein Erfolg wird. Unser Produkt ist gut und gefragt, das Konzept ist aufgegangen. Uns fehlt im Moment nichts.« Für den Erfolg der ersten Festwoche findet er gleich mehrere Gründe: Ostern, die Osterferien, tolles Wetter, Zahltag für viele Angestellte und den Nachholbedarf nach zwei Coronajahren. Und wenn er mit älteren Kollegen spreche, würden die das Frühlingsfest 2022 mit den familienorientierten Festen in den 1980er-, 1990er-Jahren vergleichen. Jetzt müsse man die verbleibenden beiden Frühlingsfestwochen noch abwarten, sagt Roschmann. Und dann will er eine Gesprächsrunde mit Schaustellern, Festwirten und in Stuttgart anregen, in der die Erfahrungen ausgetauscht werden sollten. Man müsse gemeinsam Schlüsse daraus ziehen und gemeinsam schauen, wie man die positiven Erfahrungen auch für künftige Feste bewahren könne. Roschmann: »Wir haben natürlich ein Interesse daran, dass es so bleibt.« (GEA)