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Arzt muss Besuchern bei provokanter Operninszenierung helfen

Ein wenig muss es die Stuttgarter Staatsoper geahnt haben: Die Opernperformance »Sancta« hat sie mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren und deutlichen Warnungen versehen. Zu Recht, wie sich zeigt.

Performance »Sancta« von Florentine Holzinger
Mit einer freizügigen und blutigen Performance hat die Künstlerin Florentine Holzinger einige Opern-Besucher zu stark schockiert. (Foto Handout) Foto: Matthias Baus/DPA
Mit einer freizügigen und blutigen Performance hat die Künstlerin Florentine Holzinger einige Opern-Besucher zu stark schockiert. (Foto Handout)
Foto: Matthias Baus/DPA

Trotz einer Altersfreigabe ab 18 Jahren und fettgedruckten Warnhinweisen hinterlässt eine aktuelle freizügige und blutige Opernperformance in Stuttgart ihre Spuren bei zarter besaiteten Besucherinnen und Besuchern. Rund um die ersten beiden Vorstellungen von Florentina Holzingers »Sancta« habe sich der Besucherservice um insgesamt 18 Menschen gekümmert, die zum Teil über Übelkeit geklagt hätten, sagte der Sprecher der Staatsoper, Sebastian Ebling. In drei Fällen habe ein Arzt dazu geholt werden müssen. Zuvor hatten die »Stuttgarter Nachrichten« und die »Stuttgarter Zeitung« berichtet.

Mit ihren Arbeiten, bei denen sie radikal und freizügig weibliche Körper in Szene setzt, schmerzhafte Stunts einbaut und auch vor Trash nicht zurückschreckt, sorgt Holzinger seit Jahren für Aufsehen in der Theaterwelt. In »Sancta« bringt sie mit aufreizender Deutlichkeit lesbische Liebesszenen auf die Bühne, zieht christliche Rituale ins Lächerliche und prangert die sexuelle Unterdrückung der Frau an. 

Spiritualität, Sexualität, aber auch Religionskritik und ein kritischer Blick auf religiöse und gesellschaftliche Gewalt ständen im Mittelpunkt der Aufführungen, informiert auch die Staatsoper. »Grenzen auszuloten und lustvoll zu überschreiten war von jeher eine zentrale Aufgabe der Kunst«, zitiert die Oper ihren Intendanten Viktor Schoner. 

Opernhaus Stuttgart
In den vergangenen beiden Vorstellungen an der Staatsoper Stuttgart wurden nach Angaben des Hauses 18 Menschen vom Besucherdienst betreut, unter anderem, wie ihnen übel geworden war. Foto: Bernd Weißbrod/DPA
In den vergangenen beiden Vorstellungen an der Staatsoper Stuttgart wurden nach Angaben des Hauses 18 Menschen vom Besucherdienst betreut, unter anderem, wie ihnen übel geworden war.
Foto: Bernd Weißbrod/DPA

Opernhaus warnt ausdrücklich vor Blut und Gewalt

Das Haus warnt auf seiner Homepage aber auch ausdrücklich, die Aufführung der skandalumwitterten österreichischen Aktionskünstlerin zeige explizite sexuelle Handlungen sowie Darstellungen und Beschreibungen auch von sexueller Gewalt. Auch seien echtes Blut sowie Kunstblut, Piercingvorgänge und eine Verwundung zu sehen. Stroboskopeffekte, Lautstärke und Weihrauch würden ebenfalls eingesetzt. 

Die Oper empfiehlt die Performance Zuschauern, die »wagemutig auf der Suche nach neuen Theatererfahrungen sind«, wie es auf der Homepage heißt. Allerdings sei Performancekunst neben dem Einsatz einiger Theatermittel eben »kein Fake, sondern echt«, sagte Ebling. Im Fall der in »Sancta« gezeigten, auch sexuellen Gewalt warnt das Haus daher auch explizit vor Retraumatisierungen. 

Oper will nichts an der Aufführung ändern

Nach Angaben von Opernsprecher Ebling soll mit Blick auf die noch geplanten fünf »Sancta«-Abende nichts geändert werden. Auch kämen Übelkeit und Ohnmacht immer wieder vor, sagte er. Die Premiere sei umjubelt gewesen. Er sei überzeugt, es seien im Wesentlichen Menschen in den Besucherreihen gewesen, »die wussten, auf was sie sich einlassen«. 

Ähnlich begeisternd muss es auch Ende Mai und im Juni bei der Premiere in Schwerin gewesen sein. Wenngleich ohne vergleichbare Folgen, wie Katharina Nelles, die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit beim Mecklenburgischen Staatstheater, betonte. Es habe glücklicherweise bei keiner der vier ausverkauften Vorstellungen von »Sancta« Vorfälle gegeben, bei denen der Besucherdienst oder die anwesenden Sanitäter aufgrund von Ohnmacht oder Übelkeit gerufen worden seien, sagte sie.

© dpa-infocom, dpa:241009-930-256006/3