Die Patienten gingen in die Donau-Ries Klinik im nordschwäbischen Donauwörth, um wieder gesund zu werden. Doch im OP-Saal wurden sie mit einer schweren Krankheit angesteckt. Ein Narkosearzt übertrug ihnen seine eigene Hepatitis-C-Infektion, von der er nichts wusste - mindestens 51 Menschen erkrankten. »Es tut mir sehr leid«, sagte der Mediziner am Mittwoch beim Prozessbeginn vor dem Landgericht Augsburg. Die bei Operationen übertragene Infektion streitet der 60-Jährige nicht ab, sagte aber: »Letztendlich ist es so, dass ich es nicht erklären kann, wie es dazu gekommen ist.«
Der Fall löste ab Herbst 2018 einen immer größer werdenden Skandal aus. Zunächst ging das Gesundheitsamt von Einzelfällen aus. Später wurden mehr als 1700 Männer und Frauen, die alle von dem Anästhesisten behandelt wurden, zu Hepatitis-C-Tests aufgefordert.
Bei rund 60 davon sah die Behörde die Übertragung nachgewiesen, aber nicht alle Fälle sind nun auch Teil des Strafverfahrens. Die Versicherung des Krankenhauses hat mittlerweile nach eigenen Angaben mit den meisten Betroffenen Schmerzensgeldzahlungen vereinbart.
Im Detail ist noch unklar, wie es zu der Übertragung kam. Der Angeklagte, der inzwischen seine ärztliche Approbation zurückgegeben hat und Rentner ist, berichtete vor Gericht davon, dass er fast während seiner gesamten ärztlichen Karriere unter psychischen Problemen und einer Darmerkrankung gelitten habe.
Der Mann arbeite seit den 90er Jahren in etlichen bayerischen Krankenhäusern als Narkosearzt, beispielsweise in München oder in Weiden in der Oberpfalz. Nach seiner Zeit in Donauwörth war er unter anderem kurz in Aalen in Baden-Württemberg beschäftigt.
In der Donauwörther Klinik war er zuvor rund ein Jahrzehnt, die meiste Zeit als Oberarzt. Damit er trotz seiner Erkrankungen arbeitsfähig bleibt, zweigte er dort die für OPs vorgesehenen Opiate ab und spritze sie sich selbst. Einmal erwischte eine Krankenschwester den Mann im OP mit einer Nadel im Arm.
Das Gericht will nun klären, wie das Blut des Narkosearztes in den Körper der Patienten gelangen konnte. Der 60-Jährige betonte, er habe die Utensilien eigentlich immer getrennt und die Hygienevorschriften eingehalten. Eine bewusste Infizierung der Patienten stritt er ab. »Das ist nicht der Fall«, sagte er. Letztlich sei es ja auch nur bei 50 von 1700 Patienten zu einer Übertragung gekommen, meinte er.
Schon vor dem Prozess hatte es zwischen den Richtern, Staatsanwaltschaft und Verteidigern Gespräche über ein mögliches Strafmaß gegeben. Die Anwälte des Mannes brachten eine Bewährungsstrafe ins Spiel, die Staatsanwaltschaft schließt das aber aus. Den Anklägern schwebt eher eine mehrjährige Gefängnisstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung und anderer Straftaten wie Unterschlagung der Klinikmedikamente vor.
Die Strafkammer will nun in zwölf Verhandlungstagen zahlreiche Zeugen vernehmen, ein Urteil könnte es Mitte Juli geben (Az. 200 Js 137689/18).
Hepatitis C ist eine Krankheit, die oftmals unentdeckt bleibt, allerdings auch schwerwiegende Spätfolgen haben kann. Laut der Deutschen Leberhilfe heilt die Infektion in 20 bis 50 Prozent der Fälle binnen eines halben Jahres von alleine aus. In den anderen Fällen werde die Leberentzündung chronisch und bleibe im Körper. Nach 20 bis 30 Jahren könnten dann bei einigen Betroffenen Zirrhose und Leberkrebs auftreten. »Durch neue Medikamente ist Hepatitis C jedoch heute fast immer heilbar«, betont der Selbsthilfeverein.
Deutsche Leberhilfe zu Hepatitis C
Robert Koch Institut über Hepatitis C
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