STUTTGART. Seit Russlands Überfall auf die Ukraine steigt die Kriegsangst auch in Baden-Württemberg. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der baden-württembergischen Tageszeitungen. Die Erhebung offenbart auch, ob die Bürger Deutschland mit der Waffe verteidigen würden und ob sie Vorräte für den Notfall angelegt haben. Mit teils überraschenden Ergebnissen.
Was macht den Bürgern Sorgen?
Die Sorgen der Bevölkerung werden seit Russlands Überfall auf die Ukraine vor rund drei Jahren von unsicherer Weltlage, Deutschlands wirtschaftlichen Problemen und Preissteigerung dominiert: Davor fürchtet sich jeder Zweite. Dass Deutschland in militärische Konflikte hineingezogen werden könnte, bekümmert vier von zehn Menschen. Ebenso viele beunruhigen die innenpolitischen Entwicklungen in Deutschland: vor allem das Erstarken der AfD, die abnehmende politische Stabilität und die Flüchtlingszuwanderung. Klimawandel und Extremwetter treibt dagegen nur jeden Dritten bis Vierten um. Am wenigsten verunsichert ist die Bevölkerung durch die Gefahr von Hackerangriffen auf wichtige Einrichtungen und durch die Staatsverschuldung. Nur jeden Fünften macht das betroffen – ein überraschend niedriger Wert angesichts der politischen Debatten.
Kann Deutschland wirtschaftlich unabhängiger werden von USA und China?
Die weit verbreiteten Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung werden auch von dem Gefühl getrieben, dass die deutsche Wirtschaft zu stark abhängt von außereuropäischen Ländern wie USA und China. Allerdings glaubt nur eine Minderheit (43 %), dass die Abhängigkeit in den nächsten Jahren reduziert werden kann. Fast ebenso viele Menschen (39 %) halten das für unrealistisch.
Wie groß ist die Kriegsangst?
Seit Ausbruch des Ukraine-Konflikts nimmt auch in Deutschland die Kriegsangst zu. Dass die Bundesrepublik in den nächsten Jahren in einen bewaffneten Konflikt verwickelt wird, halten 30 Prozent der Befragten für wahrscheinlich, 9 Prozent sogar für sehr wahrscheinlich. 47 Prozent stufen das Risiko dagegen als gering ein.
Wie viele Bürger würden Deutschland mit der Waffe verteidigen?
Trotz größerer Kriegsangst wäre nur jeder Vierte bereit, Deutschland mit der Waffe zu verteidigen; jeder Zweite würde verweigern. Männer (34 %) und Personen mittleren Alters (29 %) würden häufiger kämpfen, Frauen (14 %), junge Menschen (22 %) und ältere Menschen (19 %) seltener.
Soll die Wehrpflicht wieder eingeführt werden?
Grundsätzlich steht die Bevölkerung der Wiedereinführung der Wehrpflicht offen gegenüber. Vor die Wahl gestellt, entscheidet sich jedoch nur ein Fünftel (22 %) dafür. Über die Hälfte (54 %) bevorzugt das verpflichtende Dienstjahr. Dabei können Betroffene entscheiden, ob sie Wehrdienst oder sozialen Dienst leisten wollen. 16 Prozent lehnen beides ab. In der jungen Generation, die bei Umsetzung unmittelbar betroffen wäre, ist sogar mehr als jeder Vierte (27 %) gegen jegliche Pflicht. Knapp jeder Zweite (48 %) fände das verpflichtende Dienstjahr besser. Nur 14 Prozent befürworten die Wehrpflicht.
Soll die Wehrpflicht auch für Frauen gelten?
Wenn die Wehrpflicht wiedereingeführt wird, dann soll sie auch für Frauen gelten. Das meint die Mehrheit der Bevölkerung über alle Altersgruppen hinweg. Insgesamt sind 60 Prozent für die Einberufung beider Geschlechter, nur 22 Prozent wollen Frauen freistellen. Selbst unter Frauen plädieren 55 Prozent für den Wehrbeitrag ihres Geschlechts.
Sollen US-Truppen aus Baden-Württemberg abziehen?
Mit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten ist das Vertrauen in die USA als Bündnispartner gesunken – auch wegen Trumps Überlegungen, sich militärisch aus Europa zurückzuziehen. Damit wäre die baden-württembergische Bevölkerung mehrheitlich nicht einverstanden. Den Abzug amerikanischer Truppen aus dem Bundesland würden 41 Prozent bedauern, nur 21 Prozent würden ihn begrüßen.
Wie gut ist Baden-Württemberg auf den Notfall vorbereitet?
Das Bewusstsein, dass das Risiko von Krisen zunimmt, ist in der Bevölkerung heute stärker ausgeprägt als noch vor einigen Jahren. Die Vorbereitung Baden-Württembergs auf einen Notfall wird jedoch kritisch gesehen: Nur 38 Prozent halten das Land für gut oder sehr gut gerüstet. Jeder Zweite dagegen hegt Zweifel am zivilen und militärischen Schutz.
Wie soll das Land sich für den Katastrophenfall wappnen?
Die Bevölkerung hat klare Vorstellungen, wie sich Baden-Württemberg auf Krisen vorbereiten müsste. An erster Stelle stehen Notfallplan für Gesundheitsversorgung, Ausbildung und Ausstattung für Rettungskräfte, Arzneimittel-Vorrat sowie Schutz von Energie- und Kommunikationsnetzen. Jeweils mehr als 80 Prozent, teils sogar über 90 Prozent der Bevölkerung halten diese Maßnahmen für wichtig. Zudem wünschen sich mindestens drei Viertel der Befragten bessere Information im Katastrophenfall, Aufbau eines Lebensmittelvorrats und regelmäßige Notfallübungen. Mehr Schutzräume fordern 65 Prozent.
Wie gut gerüstet für die Krise sind die Bürger selbst?
Fragt man nach der eigenen Vorbereitung auf den Notfall, ergibt sich ein durchwachsenes Bild: Wo sich Schutzräume in der Region befinden, wissen nur 7 Prozent der Baden-Württemberger. Auch die Empfehlungen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe werden nur teils befolgt: Einen Vorrat an Kerzen, Lebensmitteln, Medikamenten und Energiespeichern hat mindestens die Hälfte der Befragten angelegt. Genug Trinkwasser haben 40 Prozent, Feuerlöscher 36 Prozent. Der größte Mangel besteht bei Heizungen, wenn der Strom ausfällt. Über Kohle- oder Holzöfen verfügen bloß 29 Prozent. (GEA)