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Als Schwarzfahrer im Knast landen? Streit im Kabinett

Wer schwarzfährt, begeht eine Straftat. Völlig übertrieben, findet Verkehrsminister Hermann - und erntet Kritik vom Koalitionspartner.

Verkehrsminister Winfried Hermann
Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) steht in der Landeshauptstadt. Foto: Bernd Weißbrod
Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) steht in der Landeshauptstadt.
Foto: Bernd Weißbrod

Verkehrsminister Winfried Hermann pocht auf eine Entkriminalisierung des Schwarzfahrens. »Schwarzfahren ist eine Sauerei, sollte aber keine Straftat sein«, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. »Dafür sollte niemand ins Gefängnis kommen.« Hermann argumentiert auch mit einer Entlastung der Justiz. Man könne diese von Bagatellverfahren befreien. »Von mir aus kann man das Bußgeld erhöhen, aber Schwarzfahren sollte keine Straftat sein.«

Mit seinem Vorstoß stößt Hermann innerhalb der Koalition auf deutlichen Widerstand - aus dem CDU-geführten Justizministerium. »Den Ansatz, ein bestimmtes Verhalten zu entkriminalisieren, um damit Kapazitäten in der Justiz zu schaffen, halte ich für verfehlt«, sagte Ministerin Marion Gentges der dpa. »Rechtsstaat funktioniert nicht so, dass wir uns fragen, welche Regeln wir uns mit Blick auf Justizressourcen noch leisten können.« Stattdessen müsse die Politik die Justiz mit den Mitteln ausstatten, die sie zur Bewältigung ihrer Aufgaben braucht.

Gentges argumentiert, dass der Aufwand nicht geringer würde, wenn das Schwarzfahren nur noch eine Ordnungswidrigkeit wäre - statt der Staatsanwaltschaften müssten sich dann Verwaltungsbehörden um die Verfolgung kümmern, die Arbeit würde aus ihrer Sicht nur verlagert. Einsprüche gegen Bußgeldbescheide würden am Ende doch wieder bei Gerichten und Staatsanwaltschaften landen.

Gentges verteidigte in dem Zusammenhang auch die Ersatzfreiheitsstrafe. Die brauche es als »letzte Konsequenz, damit Geldstrafen als Sanktion ernstgenommen und bezahlt werden«. Man könne zudem durch Programme wie »Schwitzen statt Sitzen« Geldstrafen abarbeiten. Ins Gefängnis müssten vor allem die Verurteilten, »die sich beratungsresistent zeigen und sich hartnäckig weigern, die Geldstrafe zu bezahlen oder abzuarbeiten«.

Ordnungswidrigkeiten sind Verstöße kleineren Ausmaßes, die mit einem Bußgeld geahndet werden. Straftaten haben ein Gerichtsverfahren und eine Geld- oder Freiheitsstrafe zur Folge. Schwarzfahren - amtlich heißt die Tat im Strafgesetzbuch Erschleichen von Leistungen - kann eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe nach sich ziehen. Für den Geldbeutel haben Geldbuße und Geldstrafe die gleiche Wirkung. Juristen unterscheiden aber die Bedeutung: Eine Geldbuße soll keine Bestrafung sein, sondern eher ein Denkzettel. Aber auch wer das Bußgeld nicht zahlt, kann am Ende im Gefängnis landen. Dann droht die sogenannte Erzwingungshaft. Im Gegensatz zur Ersatzfreiheitsstrafe, mit der eine Geldstrafe abgesessen werden kann, ersetzt die Erzwingungshaft aber nicht die Geldbuße.

Beim Schwarzfahren gehe es nicht nur um Bagatellschäden, betonte Gentges. »Die Bahnkarte im Fernverkehr kostet schnell einen dreistelligen Betrag.« Die Justizministerin ist überzeugt: Mit der Entkriminalisierung würde das Schwarzfahren zunehmen, die Ahndung und Verfolgung dieser Verhaltensweise würde jedoch erheblich erschwert. Ertappte dürften dann nämlich nicht mehr festgenommen werden.

Auf die Frage, ob Schwarzfahren denn zumindest besser sei als Autofahren, sagte Hermann: »Wer schwarz fährt, hat kein Auto. Das ist keine Alternative.« Kostenlos würde er den Nahverkehr allerdings auch nicht machen: »Damit nicht der Eindruck entsteht, dass es nichts kostet.« Er hielte aber einen Sozialrabatt für sinnvoll.

© dpa-infocom, dpa:220814-99-380433/2