Sie wollen die Kirche im Dorf lassen und haben dafür die Aktion »Dorfkirche retten« ins Leben gerufen: Zwei Frauen aus der zu Obrigheim gehörenden Gemeinde Mörtelstein im Neckar-Odenwald-Kreis fürchten wegen kirchlicher Sparzwänge um ihr Gotteshaus und die Kirchen anderer Gemeinden. Einsparpläne der Evangelische Landeskirche Baden (Ekiba) könnten nach ihren Angaben zur Folge haben, dass weit über 100 evangelische Kirchen in Baden dem Rotstift zum Opfer fallen - sprich nicht mehr kirchlich mitfinanziert werden.
Die Ekiba bestätigte diese Zahlen zunächst nicht. Der Prozess der Bewertung von Gebäuden nach Kriterien wie Klimaneutralität und Sanierungsbedarf sei noch nicht abgeschlossen. Wie viele der rund 700 Kirchen in Baden künftig keine Finanzierung mehr bekämen, sei noch nicht klar.
Hintergrund des Ganzen ist der derzeit laufende Strategieprozess der Ekiba, die bis 2032 insgesamt rund 30 Prozent aller Haushaltsmittel einsparen will. Dazu gehört auch, den Gebäudebestand abzuschmelzen.
Allein im Kirchenbezirk Mosbach könnten 13 der 34 Kirchen vom Sparzwang betroffen sein und stillgelegt werden, sagten die Initiatorinnen der Aktion, Silke Becker und Bettina Zeus. Mörtelstein etwa mit rund 450 Einwohnern hätte dann kein kirchliches Gebäude mehr. Viele Gläubige wüssten gar nicht, was da im Rahmen des Ekiba-Strategieprozesses vor sich gehe und was das für die Gotteshäuser bedeute. Diese seien gerade im ländlichen Raum von großer Bedeutung. »Wir wollen, dass die Menschen mehr mitgenommen werden«, sagten Becker und Zeus.
Die beiden Frauen wehren sich gegen den »Ausverkauf unserer Kirchen«, der nun leider zuallererst auf der Sparagenda stehe, sagen sie. Vor allem missfällt ihnen die »Beampelung« der Kirchen: Damit wurden sie - wie auch der übrige Ekiba-Gebäudebestand - in bestimmte Kategorien eingeteilt. So bedeute Grün die Weiterfinanzierung durch die Ekiba. Gelb und rot gekennzeichnete Gotteshäuser blieben ihrem Schicksal überlassen.
Eine Sprecherin der Ekiba betonte, dass es für künftig nicht mehr mitfinanzierte Gotteshäuser keine Verpflichtung zur Schließung oder zum Verkauf gebe. Gemeinden könnte vielmehr selbst bestimmen, was aus den Kirchen dann werde.
Auch die Evangelische Kirche in Württemberg muss sparen - Entscheidungen über den Umgang mit Kirchen oder Pfarrhäusern liege letztlich aber bei den Kirchenbezirken sagte ein Sprecher. »Wir haben noch keinen Druck mit Gebäuden«, sagte er. »Eine akute Schließungswelle von Kirchen gibt es nicht.« Im Moment laufe eine Studie zu Klimaschutz und Erhalt und einer »Anpassung des Bestandes«. Dabei würden alle kirchlichen Gebäude erfasst: also Gottes- und Pfarrhäuser, Kitas und Diakoniestationen. Die Landeskirche in Württemberg verfügt über derzeit über mehr als 1500 Kapellen und Kirchen.
In der Erzdiözese Freiburg gibt es rund 2000 Kirchen und Kapellen. Die meisten dieser großen und kleinen Gotteshäuser dürften im Besitz der Erzdiözese verbleiben, sagte ein Sprecher. "Auch bislang wurden nur in begründeten Einzelfällen Kirchengebäude aufgegeben.
Die Diözese Rottenburg-Stuttgart verfügt über rund 2400 Kirchen und Kapellen und gibt ebenfalls Entwarnung. Die Kirchengemeinden vor Ort seien für die Gotteshäuser zuständig. Es gebe derzeit keine Anträge, Kirchen aufzugeben oder umzunutzen.
Infos zum Strategieprozess der Ekiba
© dpa-infocom, dpa:230625-99-177043/3