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AfD-Fraktionschef Gögel tritt nach Strafbefehl zurück

Zuletzt war etwas Ruhe eingekehrt in die für Intrigen und Chaos bekannte AfD-Fraktion im Südwesten. Damit ist spätestens jetzt Schluss: Der Fraktionschef tritt ab - weil er Ärger mit der Justiz hat. Wer wird das Machtvakuum füllen?

Bernd Gögel
Bernd Gögel spricht im Landtag von Baden-Württemberg. Foto: Valeria Nickel
Bernd Gögel spricht im Landtag von Baden-Württemberg.
Foto: Valeria Nickel

AfD-Fraktionschef Bernd Gögel tritt nach einem Strafbefehl wegen Schwarzarbeitsvorwürfen zurück. Er wolle sein Amt zum 31. Dezember 2022 niederlegen, teilte der 67-Jährige am Dienstag am Rande einer Fraktionssitzung mit. »Ich tue das zum einen, um angesichts des laufenden Gerichtsverfahrens, dessen Dauer nicht absehbar ist, Schaden von der Fraktion abzuwenden«, begründete er die Entscheidung. »Ich tue das zum zweiten, um die Fraktion für frischen Wind und junge Ideen zu öffnen. Dem Erneuerungsprozess möchte ich nicht im Wege stehen.«

Nach Angaben des AfD-Fraktionssprechers übernimmt im neuen Jahr erstmal Fraktionsvize Rainer Podeswa die Führung. Bei der Klausur Mitte Januar solle dann ein neuer Fraktionsvorsitzender gewählt werden, hieß es dem Vernehmen nach.

Grund des Rücktritts: Gegen Gögel stehen Schwarzarbeitsvorwürfe im Raum, er hatte deshalb vor kurzem sogar einen Strafbefehl erhalten. Das Amtsgericht Pforzheim verhängte wegen des »Vorwurfs des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt« in elf Fällen eine Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen zu je 195 Euro. Das wären 27 300 Euro. Gögel wäre vorbestraft, wenn er den Strafbefehl annehmen würde. Er hat aber nach eigenen Worten Einspruch eingelegt. Damit dürfte es zu einem Prozess kommen. Bis zu einem Abschluss des Verfahrens gilt grundsätzlich die Unschuldsvermutung.

Von 2003 an war Gögel selbstständiger Speditionskaufmann und Geschäftsführer in Sulz am Neckar, wie aus seinem Lebenslauf auf dem Internetauftritt des Landtags hervorgeht. Der Betrieb der Spedition ist laut Fraktionssprecher 2017 eingestellt worden. Der Ständige Ausschuss des Landtags hatte dem Vernehmen nach im September 2022 beschlossen, die Immunität des Abgeordneten aufzuheben.

Die Immunität schränkt in Deutschland die Strafverfolgung von Abgeordneten sowohl im Bundestag als auch in den Landesparlamenten ein. Ohne Genehmigung zum Beispiel des Landtags darf ein »immuner Politiker« strafrechtlich nicht verfolgt oder festgenommen werden. Dies gilt nicht, wenn der Abgeordnete auf frischer Tat ertappt oder am darauffolgenden Tag festgenommen wird. Das Recht auf Immunität dient nicht dazu, den einzelnen Abgeordneten, sondern vielmehr die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu schützen.

Der Vorsitzende der Südwest-AfD, Markus Frohnmaier, zollte Gögel Respekt für dessen Rücktritt. Gögel habe das Persönliche hintenan gestellt, um zu vermeiden, dass die Fraktion Schaden nimmt, sagte Frohnmaier der Deutschen Presse-Agentur. Der Fraktionschef habe sehr gute Arbeit geleistet. »Er hat mit seiner routinierten Art dafür gesorgt, dass die Fraktion wieder in ruhige Fahrwasser gekommen ist.«

In der Tat zeigte sich die AfD im Parlament in den letzten Monaten zurückhaltender als in der vergangenen Legislaturperiode, wo mancher AfD-Abgeordnete mit seinem Verhalten Polizeieinsätze auslöste. Gögel hatte zu Beginn der neuen Legislatur eine andere Art des Umgangs im Parlament versprochen.

Es habe keinen Druck auf Gögel aus der Fraktion gegeben, er habe frei über seinen Rücktritt entschieden, sagte der Fraktionssprecher weiter. Von anderen Abgeordneten hörte man, fast die halbe Fraktion sei für einen Rücktritt Gögels gewesen. Man habe dessen Rücktrittserklärung zur Kenntnis genommen und sei froh, dass man das relativ gut gelöst bekommen habe ohne Abwahlantrag, sagte ein Abgeordneter nach der Sitzung.

Klar ist: Mit den »ruhigen Fahrwassern« dürfte erstmal wieder Schluss sein in der AfD-Fraktion. Ein neuer Fraktionschef muss gefunden werden. Wer füllt das Machtvakuum? Die Fraktion hatte in den vergangenen Jahren vor allem mit internen Querelen und Provokationen Schlagzeilen gemacht. Bei der Landtagswahl 2021 musste die AfD herbe Verluste hinnehmen. Unter den AfD-Abgeordneten tobte jahrelang ein Machtkampf zwischen gemäßigten Kräften und Anhängern des rechten Rands. Gögel gilt als eher gemäßigt. Der ehemalige Fraktionsvize Emil Sänze aus dem völkisch-nationalen Lager galt stets als sein Gegenspieler. Immer noch laufen Risse durch die Fraktion. Manch junger Abgeordneter fordert zudem einen Generationswechsel an der Spitze. »Jetzt muss man schauen, wie die Erneuerung organisiert wird«, sagte AfD-Landeschef Frohnmaier.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nutzte indes den Rücktritt Gögels für eine Attacke gegen Innenminister Thomas Strobl. Der CDU-Politiker stand zuletzt wegen der Weitergabe eines Anwaltsschreibens an einen Journalisten unter Druck. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen Zahlung einer Geldauflage von 15.000 Euro ein. »Es ist schon bemerkenswert, dass der Fraktionsvorsitzende jener Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, mehr Anstand und Rückgrat zeigt, als der Verfassungsminister Thomas Strobl«, sagte Rülke. »Sowohl bei Herrn Gögel als auch bei Herrn Strobl geht es um Geldstrafen wegen Straftatbeständen. Folglich sollte Herr Strobl die gleiche Konsequenz ziehen und zurücktreten.«

Die Südwest-CDU schlug am Dienstag bissig zurück. Eine Sprecherin des Landesverbands bezeichnete den FDP-Fraktionschef als »Lügen-Rülke«, der bewusst die Unwahrheit verbreite. »Es ist mittlerweile nur noch peinlich, wie sich Herr Rülke mit Reflexen eines Pawlowschen Hundes an Thomas Strobl abarbeitet«, sagte sie. Strobl habe keine Geldstrafe bezahlen müssen, sein Verfahren sei mit der Auflage eingestellt worden, an zwei gemeinnützige Einrichtungen einen Geldbetrag zu überweisen. »Thomas Strobl gilt damit als unschuldig.«

Die Abgeordneten der AfD-Fraktion

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