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14 statt 80: Auslieferung Doppelstockzüge verzögert sich

Ab 2025 sollten Fahrgäste im Südwesten in den Genuss brandneuer Doppelstockzüge kommen. Schon jetzt zeichnet sich ab: Das wird nur eingeschränkt funktionieren, weil wohl nicht genügend Züge pünktlich geliefert werden. Die FDP spricht von einem Déjà-vu.

Regionalbahn
Ein doppelstöckiger Regionalzug der Deutschen Bahn fährt durch einen Bahnhof. Foto: Jonas Walzberg/DPA
Ein doppelstöckiger Regionalzug der Deutschen Bahn fährt durch einen Bahnhof.
Foto: Jonas Walzberg/DPA

Fahrgäste im Regionalverkehr in Baden-Württemberg müssen länger auf die vom Land bestellten 130 neuen Doppelstockzüge warten als bislang gedacht. Bei der Auslieferung werde es zu Verzögerungen kommen, teilte das Verkehrsministerium auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart mit. Eigentlich sollten bis Ende Dezember 2025 80 der neuen Züge zugelassen und ausgeliefert werden, nun werden es bis dahin wohl deutlich weniger sein: »Das Land geht derzeit davon aus, dass bis zur Teilinbetriebnahme von Stuttgart 21 im Dezember 2025 von Alstom 14 zugelassene Doppelstockfahrzeuge ausgeliefert werden«, teilte das Ministerium mit. Danach sollten monatlich weitere Fahrzeuge ausgeliefert werden.

Für die Verzögerungen sind laut Ministerium mehrere Faktoren verantwortlich. So habe sich das Vergabeverfahren um etwa ein halbes Jahr verzögert, weil ein unterlegener Mitbewerber gegen die Vergabe des Auftrags an den französischen Hersteller Alstom Beschwerde eingelegt hatte. Weitere Gründe seien die Auswirkungen des Angriffskriegs gegen die Ukraine und »allgemeine Engpässe bei den Lieferketten im Produktionsprozess des Herstellers«.

Alstom verwies in einem Statement ebenfalls auf die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und Lieferketten-Probleme. Der entscheidende Aspekt sei aber die Verzögerung im Vergabeverfahren gewesen, hieß es am Dienstag von dem Unternehmen.

Die Züge sollten eigentlich zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 zur Verfügung stehen und mit modernster Signaltechnik ausgestattet werden. Hintergrund ist, dass die Region Stuttgart im Zuge von Stuttgart 21 auch zum ersten digitalisierten Bahnknoten Deutschlands ausgebaut werden soll. Züge des Fern- und Regionalverkehrs sowie S-Bahnen sollen dann mit dem digitalen Zugsicherungssystem ETCS fahren. Außerdem sollen die Stellwerke digitalisiert werden.

Für die fehlenden neuen Doppelstockzüge habe man 28 Ersatzfahrzeuge aus der Umrüstung bestehender Fahrzeuge auf das neue ETCS-System zur Verfügung, teilte das Ministerium mit. Zudem werde Alstom rund 28 weitere Ersatzfahrzeuge liefern. Schwerwiegende Auswirkungen im Nahverkehr könnten so vermieden werden. Weil der Stuttgarter Bahnknoten 2025 nur teilweise in Betrieb gehen werde, gebe es auch einen geringeren Bedarf an Fahrzeugen mit ETCS. Die Anbindung der Gäubahn von Stuttgart nach Zürich sowie der Anschluss des Flughafenbahnhofs werden erst später in Betrieb gehen.

Ursprünglich war vorgesehen, dass die neuen Züge auf den Regionalstrecken von Stuttgart nach Karlsruhe, Pforzheim, Heilbronn, Schwäbisch Hall, Aalen, Ulm, Friedrichshafen, Tübingen und Horb/Rottweil verkehren sollen. Wegen der Lieferverzögerungen müsse nun priorisiert werden, hieß es aus dem Verkehrsministerium. Zuerst müssten die Züge auf der Strecke Karlsruhe-Stuttgart-Ulm eingesetzt werden, weil auf dieser Strecke die Höchstgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometern gebraucht werde.

Das Land Baden-Württemberg hatte im vergangenen Jahr beim französischen Hersteller Alstom die 130 Doppelstockzüge für rund 2,5 Milliarden Euro bestellt. »Kein anderes Bundesland hat bisher einen Einzelauftrag dieser Größenordnung für die Bestellung von Regionalzügen erteilt«, hatte das Verkehrsministerium damals mitgeteilt. Die Züge sollen bis zu 200 Stundenkilometer schnell sein und 380 Sitzplätze bieten.

Die FDP spricht von einem Déjà-vu, Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) habe aus dem »Auslieferungsdesaster bei der letzten großen Beschaffungsrunde 2019 nichts gelernt«, kritisierte Hans Dieter Scheerer, ÖPNV-Sprecher der Landtagsfraktion. Auch damals hatte es Probleme bei der Auslieferung von Zügen gegeben. »Vor dem Hintergrund der damaligen Erfahrungen hätte man das Verfahren anders aufsetzen müssen«, so der FDP-Abgeordnete. Er sei auch gespannt, ob und wie das Land bis 2025 die Umrüstung auf das ETCS-System hinbekomme. »Wenn nicht, dann droht der regionale Schienenverkehr weniger leistungsfähig zu sein als versprochen.«

Der verkehrspolitische Sprecher der AfD-Fraktion forderte Hermann dazu auf, zu prüfen, ob Schadenersatz und eine Vertragsstrafe gegen den Hersteller geltend gemacht werden könne. »Das ist er dem Steuerzahler schuldig«, sagte Miguel Klauß.

© dpa-infocom, dpa:231121-99-22184/5