Ein Mann, der seine ehemalige Lebensgefährtin überfallen, gewürgt, ihren Kopf mit Klebeband umwickelt, sie mit Gipspulver überschüttet und dann in einem Kellerraum in Stuttgart zurückgelassen haben soll, muss sich wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. Der Prozess gegen den 36-jährigen Polen begann am Mittwoch vor dem Landgericht Karlsruhe. »Du darfst nicht mehr atmen«, soll der Mann laut Aussage der Staatsanwältin während der Tat zum Opfer gesagt haben. Die Frau überlebte den Vorfall Anfang Januar 2023 und konnte sich den Angaben nach selbst befreien.
Laut Anklage versuchte der Mann, die Frau »heimtückisch zu töten«. Die Schilderungen zum Tathergang stützen sich laut Staatsanwaltschaft sowohl auf die Aussagen der Geschädigten als auch auf die weiteren Ermittlungen der Polizei. Vor dem Schwurgericht ist der 36-Jährige nun wegen körperlicher Misshandlung, Freiheitsberaubung und Mordversuchs angeklagt.
Zwischen dem mutmaßlichen Überfall in Karlsruhe am 9. Januar 2023 und dem Ablegen in einer Tiefgarage in Stuttgart soll die Frau den Ausführungen der Staatsanwaltschaft nach zwei Mordversuche überlebt haben. Der Darstellung nach soll ihr Ex-Freund sie zunächst im Keller ihres Wohnhauses gewürgt haben, bis sie bewusstlos wurde. Mit der Frau im Laderaum seines Firmentransporters sei er dann in Richtung Stuttgart gefahren.
Auf der Fahrt habe er festgestellt, dass sie noch lebt und umwickelte ihren Kopf daraufhin auf einem Rastplatz mit Panzerband, hieß es. In einer Stuttgarter Tiefgarage habe er die inzwischen - aus seiner Sicht - leblose Frau dann in ein Kellergeschoss gebracht, das mit einer schweren Metalltür verschlossen war. Hier wurde sie den Angaben nach abgelegt, mit trockenem Gips bedeckt und zurückgelassen. Der Mann wurde noch am selben Tag festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Der Angeklagte machte seine Aussagen - unter Zuhilfenahme einer Übersetzerin - auf Polnisch. Er bestätigte vor Gericht die Grundzüge des Tathergangs. An Details dessen, was im Keller des Wohnhauses des Opfers, auf dem Rastplatz an der Autobahn und später in der Tiefgarage einer Bank passiert ist, will sich der Mann jedoch nicht erinnern können. Ähnlich verhielt es sich bei Fragen zum Tatmotiv. Er beteuerte wiederholt, nicht das Ziel gehabt zu haben, der Mutter seines Sohnes zu schaden.
Ausgiebig äußerte sich der Angeklagte am Mittwoch hingegen zu seiner Familiengeschichte in Polen - die den Aussagen nach durch einen gewalttätigen Vater geprägt war. Das Opfer lernte er demnach nach seiner Flucht vor den schwierigen Verhältnissen in Deutschland kennen. Zur Trennung kam es 2019, ungefähr zwei Jahre nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes. Zwischen den Eltern schwelte seitdem ein Streit vor allem um das Umgangsrecht. Der Pole berichtete von psychischen Problemen als Folge der Trennung. Diese mündeten seiner Aussage nach in Alkoholmissbrauch und auch Spielsucht. Gewalttätig sei er nie gewesen.
Der nächste Verhandlungstermin ist für den 5. Oktober angesetzt. Dann sollen laut Gericht auch Zeugen vernommen werden. Auch der Inhalt zahlreicher Schreiben und Posts im Zuge der familienrechtlichen Auseinandersetzung soll im Verfahren noch thematisiert werden.
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