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Demokratie muss von den Bürgern gelebt und verteidigt werden

Das Grundgesetz von 1949 ist die Antwort auf die Nazi-Herrschaft. Solche Gräuel sollen nie wieder passieren. Das garantieren die Grundrechte in den Artikeln 1 bis 19. Foto: Hendrik Schmidt/dpa
Das Grundgesetz von 1949 ist die Antwort auf die Nazi-Herrschaft. Solche Gräuel sollen nie wieder passieren. Das garantieren die Grundrechte in den Artikeln 1 bis 19.
Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Das Grundgesetz in Mini-Format liegt bei mir auf dem Schreibtisch. Nicht, weil ich jeden Tag reinschaue. Sondern einfach, weil der Blick auf dieses kleine Büchlein beruhigt, seit die Welt in Unordnung geraten ist. Denn das Grundgesetz symbolisiert eine einmalige Erfolgsgeschichte. Wie Deutschland, ein von der Weltgemeinschaft ausgestoßener Schurkenstaat, sich zu einer anerkannten und gefestigten Demokratie entwickelte. Das Grundgesetz hat vor 75 Jahren dafür den Rahmen geschaffen. Es hat uns nach den Wirren der Weimarer Republik und der Nazi-Zeit Stabilität und Freiheit gegeben, um selbst zu bestimmen, wie ein demokratisches Deutschland aussehen soll. Das Grundgesetz war und ist ein Glücksfall. Darauf können die Deutschen stolz sein.

Doch es gibt noch einen anderen Grund, weshalb das kleine Büchlein diesen besonderen Platz auf meinen Schreibtisch hat. Es ist ein Geschenk von Ferdinand Kirchhof, dem ehemaligen Verfassungsrichter. Es erinnert mich daran, wie wichtig das Verfassungsgericht in Karlsruhe für das Gelingen der Demokratie ist. Jeder Bürger kann sich an dieses Gericht wenden. Es ist zum Symbol für die Unabhängigkeit der Justiz geworden und genießt nicht umsonst höchste Anerkennung bei den Bürgern. Denn was nützen die besten Artikel und Gesetze, wenn sie nicht durchgesetzt werden oder Regierungen sie ungestraft umgehen oder ignorieren können.

Und wenn ich mein Grundgesetz aufschlage, ist da der erste und der zweite Senat abgebildet. Das macht klar: Es sind Menschen, die dafür sorgen, dass der Rechtsstaat und die Demokratie funktionieren. Dafür braucht es nicht nur Richter, sondern auch Politiker, die für ihre Ziele werben. Ehrenamtliche Helfer, die sich um Bedürftige oder Flüchtlinge kümmern. Menschen, die Kranken in den schweren Stunden zur Seite stehen oder die einfach dafür sorgen, dass es ein Vereinsleben gibt. Es sind aber auch die Kammern wie etwa die IHK, die Handwerkskammer und die Verbände, ohne die es diesen Staat und diese Form der Demokratie nicht geben würde. Demokratie lebt von den Bürgern. Es ist diese Form der Selbstverwaltung, die dafür sorgt, dass es kein Durchregieren von Berlin aus gibt wie in den dunklen Zeiten der Nazi-Herrschaft. Das sollte jeder bedenken, der über die Langsamkeit eines föderal organisierten Staates klagt. Der Föderalismus ist ein Garant für Vielfalt. Er sorgt dafür, dass die kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede in den Ländern erhalten bleiben.

Auch die deutsche Gesellschaft driftet auseinander. Doch es darf keine Sprachlosigkeit und Ausgrenzung geben. 75 Jahre Grundgesetz sollten Ansporn sein, um sich dafür einzusetzen, dass das Miteinander erhalten bleibt. Das Grundgesetz kann nur den Rahmen bilden. Die Demokratie muss von den Bürgern gelebt und verteidigt werden.

davor.cvrlje@gea.de