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Aktuell Wahlkampf

Wer hat in Gammertingen Chancen auf den Bundestag?

Kann der Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen zwei Sitze im Parlament halten?

Thomas Bareiß, CDU.  FOTO: PARTEI
Thomas Bareiß, CDU. FOTO: PARTEI
Thomas Bareiß, CDU. FOTO: PARTEI

GAMMERTINGEN. Der Wahlkreis 295 Zollernalb-Sigmaringen ist zurzeit mit zwei Abgeordneten im Bundestag vertreten: mit dem direkt gewählten Thomas Bareiß von der CDU und dem Sozialdemokraten Robin Mesarosch. Um das Direktmandat hatten 2021 Bareiß, Mesarosch und Johannes Kretschmann gekämpft, Bareiß behielt mit 30,1 Prozent deutlich die Nase vorn, Kretschmann kam auf 16,1 Prozent, mit Listenplatz 21 reichte es dem Grünen nicht in den Bundestag. Kretschmann tritt nicht mehr an, wie der noch weitgehend unbekannte Gammertinger Simon Schutz sich schlagen wird, gehört zu den spannenden Fragen am Wahlabend.

Robin Mesarosch konnte über die Landesliste einziehen, allerdings kam die SPD bei der Wahl 2021 noch auf 25,7 Prozent der Zweitstimmen, die Prognosen deuten auf ein schlechteres Ergebnis für die Sozialdemokraten hin. Platz 18 auf der Landesliste könnte diesmal nicht reichen, zurzeit stellen die baden-württembergischen Sozialdemokraten 22 Abgeordnete.

- Thomas Bareiß, CDU, 50

Thomas Bareiß ist Abgeordneter des Wahlbezirks Zollernalb-Sigmaringen im Bundestag, und das bereits seit 2005. Bei der Bundestagswahl 2021 verteidigte er das Direktmandat mit 30,1 Prozent der Stimmen. Bis 2021 war er Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Energie. Seit die Union die Oppositionsrolle übernahm, ist er verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Der am Wahlsonntag 50-jährige Balinger bringt also reichlich Erfahrung mit. Jetzt auch aus der Perspektive der Oppositionsbänke. Bareiß steht für einen »neuen Wirtschaftsaufschwung«, mit Schwerpunkt auf der Stärkung des Mittelstands. Sicherheit ist Thema der Union, die Zuwanderung brauche eine Wende, illegale Migration gehöre gestoppt, sonst brauche es »klare Regeln«, die auch durchgesetzt werden. Und nicht nur für Zuwanderer gelte »null Toleranz für Straftäter«.

Energie soll durch die Senkung von Stromsteuer und Netzentgelten bezahlbar werden, für Menschen und Gewerbe. Was erwarten die Wähler nach Meinung von Bareiß? Einen funktionierenden Staat, digital ohne überbordende Bürokratie, eine moderne Infrastruktur bei Bahn, Straße, aber auch im Internet. Auch im ländlichen Raum, mit »vollem Einsatz für unseren Wahlkreis«.

- Robin Mesarosch, SPD, 33

Robin Mesarosch sitzt wie Thomas Bareiß bereits im Bundesparlament. Mit der SPD konnte er in der ablaufenden Legislaturperiode für die Region schon einiges erreichen, meint der 33-Jährige, etwa Fördergelder für zwei THW-Standorte und fürs Gammertinger Schwimmbad. Im Bundestag ist er Mitglied im Ausschuss für Digitales und im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, Erfahrungen, die er in den Wahlkreis mitbringt: "Geld für schnelles Internet fließt jetzt aufs Land." Beim Umsetzen hapere es aber noch. Dazu brauche es schnellere Verwaltungen, auch durch Digitalisierung." Was auch Wirkung auf den Klimaschutz haben sollte: "Wir kriegen Strom nirgends günstiger her als von Wind und Sonne. Deswegen kann es nicht sein, dass es Jahre dauert, bis wir in Deutschland Windkrafträder und PV-Anlagen aufgestellt haben."

Im Wahlkreis ist er ordentlich unterwegs: 38 Schulen hat er nach eigener Zählung in den vergangenen vier Jahren besucht und dort über Politik diskutiert. Mesarosch ist Präsident des Sportkreises Sigmaringen und in der Sportstiftung des WLSB, »weil mir die Sportvereine am Herzen liegen«. Im Kreis Sigmaringen ist er Gründungsmitglied des Krankenhausbündnisses, dass unter anderem die Beschäftigten im Gesundheitswesen unterstützt. Womit er den Bogen zum Thema Migration schlägt: Dass Beschäftigte im Gesundheitswesen von Abschiebungen bedroht sind, hält er für »schwachsinnig«.

- Simon Schutz, Grüne, 35

Der Kandidat aus Gammertingen ist erst seit anderthalb Jahren bei den Grünen und schon Direktkandidat, einen Listenplatz als Fangnetz hat er aber nicht. Im Hauptberuf ist er Regionalkoordinator beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), er steht für eine vernunftorientierte Zuwanderungspolitik, vor Aktionismus à la Merz warnt der Migrationsprofi. Besonders vorm Versuch, ohne Europa nationale Alleingänge zu versuchen, die zum Scheitern verurteilt seien. Dem Ausbau der Windkraft, in Gammertingen ein sensibles Thema, steht der 35-Jährige positiv gegenüber: als Chance für den Umweltschutz, für Unabhängigkeit von Energielieferungen aus Diktaturen, aber auch für die Finanzen der Kommunen.

Die Sorgen der Landwirte im ländlich geprägten Wahlkreis nimmt Schutz ernst, will sie bei den Themen Natur- und Artenschutz mit ins Boot nehmen, auch als Akteure bei der Gestaltung der Umwelt. Naturschutz müsse besser und unbürokratischer entlohnt werden, damit die Landwirte nicht den halben Tag am Schreibtisch sitzen.

Zum Überfall Russlands auf die Ukraine hat er eine klare Meinung: Die Ukraine verteidige die Demokratie an Europas Ostgrenze, sie müsse unterstützt werden. Zusätzlich müsse auch die von der Großen Koalition kaputtgesparte Bundeswehr wieder aufgebaut werden. »Auch wenn wir das Geld lieber in andere Bereiche stecken würden.«

- Boris Kraft, FDP, 52

Für die Liberalen geht Boris Kraft an den Start. Der 52-jährige verheiratete Familienvater ist erst seit gut einem Jahr Mitglied der FDP, im Brotberuf ist er Kämmerer in Scheer (Kreis Sigmaringen). »Wir befinden uns in der größten Krise der Bundesrepublik«, sagt Kraft, und findet, dass die Politik sich auf Nebenschauplätzen verzettelt. Der Liberale sieht die Wirtschaft, besonders den Mittelstand, als Rückgrat des Wohlstands. Hohe Energiekosten und überbordende Bürokratie führten bei den Unternehmern zu Verdrossenheit und: »Wenn ein Arbeitsplatz einmal weg ist, bleibt er weg.« Fünf Prozent der Unternehmenskosten verursacht durch Bürokratie seien zu viel, um in einem Hochlohnland mit hohen Energiekosten wettbewerbsfähig zu bleiben.

Erneuerbare Energien ja, aber hier bräuchten die Unternehmen mehr Planungssicherheit: Eine leistungsfähige Photovoltaikanlage aufs Dach zu bauen und dann »bei bestem Sonnenschein« nicht ins Netz einspeisen zu können, mache Investitionen unkalkulierbar.

Zur Sicherung der Mobilität müsse der Investitionsstau der vergangenen Jahre abgebaut werden, »gerne auch bei der Bahn«. Der »Irrweg des Fahrrads als Verkehrsmittel Nummer 1« dürfe nicht fortgesetzt werden. Als Familienvater steht er für bereits für eine frühkindliche Bildung in deutscher Sprache.

- Elena Dao Krein, Die Linke, 17

Elena Dao »Loo« Krein ist mit 17 Jahren – auch noch am Wahltag – vermutlich die jüngste Bundestagskandidatin in Deutschland überhaupt. Außerdem ist sie queer und migrantische Aktivistin. Damit verleihe sie der aktuellen Entwicklung der Partei Die Linke einen idealen Ausdruck, schreibt ihr Wahlkampfbüro. Loo Krein will für die Interessen der zukünftigen Generation einstehen, sodass diese nicht in einer von Profitinteressen zerstörten Umwelt und Gesellschaft leben müssen, in der existenzbedrohende Krisen zur Normalität geworden sind.

Eine ideale Kandidatin für eine linke, progressive und intersektionale Partei sei sie auch durch ihren alltäglichen politischen Aktivismus, vor allem in den Bereichen queerer und feministischer Politik. Sie ist lokal verankert und setzt sich bereits seit Jahren vor Ort für eine bessere Lebensrealität marginalisierter Menschen ein. »Als junge linke Kandidatin möchte ich für die Bürger meiner Heimat und darüber hinaus nahbar und ansprechbar sein. In einer politischen Welt, mit deren Umständen wir alle mehr oder minder zu kämpfen haben, dürfen wir unsere Umstände nicht alleine abhängig machen von Karrierejägern und abgehobenen Parlamentariern. Diese Welt gehört uns und die Probleme unserer Zeit lassen sich nur kollektiv lösen.«

- Lukas von Berg, AfD, 30

Bei den Kreistagswahlen 2024 hat Lukas von Berg gepunktet. Unter den AfD-Parteikollegen hat der Politikneuling die meisten Stimmen eingefahren und sitzt seit September im Kreistag des Zollern-Alb-Kreises. Jetzt will er in den Bundestag. Da er nicht auf der Landesliste steht, müsste er den Wahlkreis direkt gewinnen.

Der Albstädter arbeitet in der Land- und Forstwirtschaft, hat selbst einen Hof und führt seinen Erfolg auch auf sein Engagement bei den Bauernprotesten Anfang 2024 zurück. Er war einer der Sprecher der Landwirte, Mitglied der AfD wurde er nach den Protesten. Zum Thema Migration oder Remigration hat er eine klare Meinung: Jeder, der herkommen will, um zu arbeiten und sich an demokratische Werte hält und Traditionen respektiert, sei willkommen. Illegale Flüchtlinge, die vielleicht auch noch strafrechtlich auffällig werden, hätten keine Berechtigung. Klimaschutz könne man betreiben, müsse das Thema aber differenziert betrachten. Dem Ausbau der Windkraft steht er kritisch gegenüber, zu groß der Ressourcenverbrauch und die Eingriffe in die Natur.

Hauptthema des 30-Jährigen ist die Landwirtschaft. Es brauche einen Bürokratieabbau und für die Bauern mehr Luft zum Arbeiten und Leben.

- Weitere Direktkandidaten

Thomas Weber, Fahrlehrer aus Fellbach, versucht es im Wahlkreis 295 auf der Liste der Freien Wähler. Die MLPD hält mit Renate Schmidt, Musiklehrerin aus Albstadt, die rote Fahne hoch. Der Winterlinger Kraftfahrzeugmeister Jan Schumacher ist das Gesicht des Bündnisses Deutschland. (GEA)