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Aktuell Bundestagswahl

Damit möchte der Linken-Kandidat Ralf Jaster punkten

Die Linke erlebt im Kreis Tübingen einen Zulauf wie noch nie. Das freut besonders den Linken-Bundestagskandidaten Ralf Jaster. Bei seinem Wahlkampf setzt der Gewerkschaftssekretär insbesondere auf zwei Themenfelder - und hat eine spezielle Personengruppe im Blick.

Der Gewerkschaftssekretär Ralf Jaster (Mitte) tritt bei einer Podiumsdiskussion des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB für bezahl
Der Gewerkschaftssekretär Ralf Jaster (Mitte) tritt bei einer Podiumsdiskussion des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB für bezahlbare Mieten und eine Umverteilung des Vermögens ein. Foto: Paul Runge
Der Gewerkschaftssekretär Ralf Jaster (Mitte) tritt bei einer Podiumsdiskussion des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB für bezahlbare Mieten und eine Umverteilung des Vermögens ein.
Foto: Paul Runge

TÜBINGEN. Ralf Jaster ist zufrieden. »Richtig beseelt«, wie es der Bundestagskandidat der Linken im Wahlkreis Tübingen-Hechingen sogar ausdrückt. »Wir hatten Anfang der Woche einen Saal in der Westspitze mit 80 Plätzen gemietet. Kurz vor Beginn der Veranstaltung war der aber schon gerammelt voll«, erzählt er. Kurzerhand zog man - auch, weil der Hausherr flexibel war - ins Erdgeschoss um. Am Ende waren insgesamt 150 Menschen da. »Gerechnet haben wir mit 60 bis 70 Leuten.« Sehr viele Besucher für eine Veranstaltung, die sich mit der ungleichen Verteilung von Vermögen beschäftigt. Der Wahlkampf läuft »super«.

Die Linke in Tübingen erfährt - so drückt es Jaster aus - zurzeit eine »Explosion«. So viele Menschen wie noch nie treten in die Partei ein, die den Großteil ihrer Wähler eigentlich eher in den neuen Bundesländern mobilisiert. Knapp 81.000 Parteimitglieder, deutschlandweit: »Das ist ein Allzeithoch«, weiß Jaster. Der Kreisverband zähle nun erstmals knapp 380 Mitglieder, seit Mitte November sind über 100 Menschen in die Linke hier eingetreten - viele davon seit CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz versucht hat, ein Migrationsbegrenzungsgesetz mithilfe der Stimmen der AfD durch den Bundestag zu boxen. Der Zustrom freut den 50-Jährigen ungemein. »Vom noch nicht wahlberechtigten Jugendlichen bis hin zum Rentner sind da alle Altersklassen dabei«, sagt er. Und vor allem besuchen auch Leute die Wahlveranstaltungen, die nicht zur Kernwählerschaft der Linken gehören.

Der Gewerkschaftssekretär der IG Metall hat die Kollegen von ver.di bei den Protesten am Dienstag auf dem Tübinger Marktplatz un
Der Gewerkschaftssekretär der IG Metall hat die Kollegen von ver.di bei den Protesten am Dienstag auf dem Tübinger Marktplatz unterstützt. Foto: Partei
Der Gewerkschaftssekretär der IG Metall hat die Kollegen von ver.di bei den Protesten am Dienstag auf dem Tübinger Marktplatz unterstützt.
Foto: Partei

Trotz aller Aufschwungsgefühle muss Jaster aber zugeben: Wahlkampf ist anstrengend. »Ich bin froh, dass ich da so blauäugig rangegangen bin«, scherzt der Gewerkschaftssekretär, der zum ersten Mal für den Bundestag kandidiert. Morgens und abends eine kurze Runde mit dem Hund drehen und den Kopf freikriegen, mehr ist an Freizeit kaum drin. Der Job bei der IG Metall füllt den Arbeitstag, und erst am Morgen hatte Jaster die Kollegen und Arbeitnehmer von ver.di auf dem Tübinger Marktplatz unterstützt, die für eine Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst gestreikt haben.

Der Wahlkampf läuft klassisch über Infostände, gerne auch taktisch platziert, wie an den Lebensadern der Tübinger Altstadt oder vor dem Aldi in der Westspitze. »Da, so denken wir, gehen die Leute einkaufen, bei denen das Geld am Ende des Monats knapp ist«, sagt Jaster. Vor allem mit diesem Menschen wolle man ins Gespräch kommen. Auf den letzten Metern vor dem großen Wahltermin am 23. Februar will Jaster aber auch noch versuchen, mit den Infoständen außerhalb von Tübingen präsent zu sein, besonders im Zollernalbkreis. »Burladingen ist eine Gemeinde, in der die AfD immer recht gute Ergebnisse einfährt - leider. Da müssen wir unbedingt noch hin: als Linke Gesicht und Flagge zeigen.«

Energie durch Wahlkampf

Dazu kommen Tür-zu-Tür-Wahlkampf-Termine, Podiumsdiskussionen und nicht zuletzt der Auftritt in den Sozialen Medien, der bis in den Abend viel Zeit kostet. »Bis man einen Beitrag entsprechend aufbereitet hat, sitzt man lange daran«, gibt Jaster zu. Man habe keine hauptamtlichen Mitarbeiter in der Partei, die sich regelmäßig darum kümmern könnten - weswegen der Gewerkschaftler bei allem selbst mit anpackt. Trotz der Strapazen sagt der 50-Jährige aber: »Der Wahlkampf hat was Energetisierendes.« Man bekomme so viele positive Impulse zurück. »Da kommen Menschen auf einen zu und sagen: Hey, euch braucht's jetzt unbedingt.« Gerade Jugendliche hätten Angst vor dem neuen Rechtsruck in der Gesellschaft, der Antifaschismus sei ihnen ein wichtiges Anliegen. »Da haben wir Linken - meiner Wahrnehmung nach - das deutlichste Profil der Parteienlandschaft.«

Aber die Menschen treibt noch mehr um. Wer auf die Linke zukomme, habe besonders zwei Themen auf dem Herzen: die Wohnungsnot und die damit einhergehenden, teilweise horrenden Kosten für die Miete, und die Vermögensungleichheit in Deutschland. »Gerade das Wohnen ist in Tübingen ein Riesenthema«, sagt Jaster. Dafür habe die Linke bereits konkrete Ideen, wie bei einer Podiumsdiskussion des Deutschen Gewerkschaftsbunds DGB im Tübinger Gemeindehaus Lamm am Mittwochabend deutlich wurde: »Für sechs Jahre sollen die Mieten gedeckelt werden«, fordert der Linken-Politiker. »Grundsätzlich geht es uns aber um die großen Konzerne.« Es sei ein Skandal, dass ein Wohnungsunternehmen wie Vonovia die Mieten weiter in die Höhe treibe, um dann mehr Rendite an die Aktionäre ausschütten zu können.

Milliardäre zur Kasse bitten

Im Privatsektor werde zudem zu viel Hochpreisiges gebaut. Man bekomme das Problem zwar nicht ohne Neubauten in den Griff, aber der Wohnungsbau müsse vor allem gemeinnützig ausgerichtet werden. Dem Vorwurf, in Berlin habe ein Mietendeckel dazu geführt, dass ein Großteil der Wohnungen nicht mehr vermietet wurde, entgegnet Jaster gelassen: »Dahinter stand eine massive Kampagne mit der Aussage an die Eigentümer: Vermietet nicht weiter.« Für den Gewerkschaftssekretär, das merkt man auch an den Reaktionen der Zuhörer, ist der Termin ein Heimspiel, das Reden und Argumentieren vor Publikum ist er gewohnt. »Wir sind die einzige Partei mit einem durchfinanzierten Programm«, sagt Jaster bezüglich Fragen zur Steuerpolitik. Die Linke plane, die breite Bevölkerung durch Vermögens- und Milliardärssteuern zu entlasten. »Da kommt massiv Geld rein. Wer sagt, es ist kein Geld da, der lügt. Es ist nur in den falschen Händen.« (GEA)