Rafah ist der einzige Übergang im Gazastreifen, der nicht von Israel kontrolliert wird. Wann Rafah öffnet und wer den Übergang passieren kann, wird streng kontrolliert. Nun können erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober Hunderte Ausländer und Palästinenser mit einem zweiten Pass den ansonsten von Israel abgeriegelten Küstenstreifen Richtung Ägypten verlassen.
Wie es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß, war eine einstellige Zahl ausgereister Deutscher unter den Ausländern. Auch Verletzte aus dem Gazastreifen wurden zur Behandlung in den ägyptischen Ort Al-Arisch und zu anderen grenznahen Orten gebracht. Bislang hatten den Übergang nur Hilfsgüter passiert.
Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen wurden laut dem Außenministerium am Grenzübergang Rafah von einem Team der Botschaft Kairo in Empfang genommen. »Gleichzeitig arbeiten wir mit Hochdruck weiter an der Ausreise der verbliebenen Deutschen in Gaza«, schrieb das Ministerium in einem Post auf X (früher Twitter). Die Bemühungen um das Wohlergehen deutscher Geiseln gingen weiter.
Auch eine Gruppe von 31 Österreichern und Österreicherinnen wurde am Nachmittag über Rafah nach Ägypten evakuiert, wie das Außenministerium in Wien am Abend mitteilte. Es handle sich hauptsächlich um Doppelstaatsbürger, die im Gazastreifen ihren Lebensmittelpunkt haben oder auf Familienbesuch waren, darunter zehn Minderjährige.
Auch US-Bürger ausgereist
Nach Angaben der US-Regierung verließen auch mehrere amerikanische Staatsbürger den Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten. »Und wir gehen davon aus, dass die Ausreise von US-Bürgern und ausländischen Staatsangehörigen in den nächsten Tagen weitergehen wird«, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Genaue Angaben zur Zahl der Ausgereisten machte Miller nicht, er verwies auf Sicherheitsgründe.
Frankreich und Italien bestätigten die Ausreise von fünf beziehungsweise vier ihrer Staatsangehörigen. Laut Augenzeugen und nach Angaben des Roten Halbmonds kamen zudem Bürgerinnen und Bürger mit der Staatsangehörigkeit Kanadas, Finnlands, Tschechiens, Bulgariens, Japans, Australiens und Indonesiens nach Ägypten.
Weitere Personen sollen noch ausreisen
Insgesamt 525 Ausländer und Palästinenser mit einer weiteren Staatsangehörigkeit sollten noch ausreisen können, sagte Raed Abdel Nasser, Generalsekretär des Ägyptischen Roten Halbmonds im Nord-Sinai, der Deutschen Presse-Agentur. Nach dpa-Informationen sollen sie nach Überquerung der Grenze zum Flughafen Kairo gebracht werden und von dort weiterreisen. Den Transport organisieren die jeweiligen Botschaften.
Das von der im Gazastreifen herrschenden Hamas kontrollierte Innenministerium hatte eine Liste mit etwa 500 Namen derjenigen veröffentlicht, für die eine Ausreise vorbereitet wurde. Dort sind auch zwei Deutsche gelistet, die für die Vereinten Nationen sowie für eine Hilfsorganisation im Gazastreifen arbeiten. Wie viele Ausländer und Palästinenser mit zweitem Pass sich derzeit im Gazastreifen aufhalten und wie viele ihn verlassen wollen, ist unklar.
Verwundete Palästinenser nach Ägypten gebracht
Auch palästinensische Verletzte wurden erstmals über die Grenze nach Ägypten zur Behandlung gebracht. Der Ägyptische Rote Halbmond bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass »ein neuer Schub verwundeter und verletzter Palästinenser« in Krankenhäuser nahe der Grenze eingeliefert wurde.
Laut einer Mitteilung der Grenzbehörde in Gaza sollten 81 Schwerverletzte über die Grenze gebracht werden. Die Zahl ist gering mit Blick auf die mehr als 20.000 Menschen, die dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium zufolge bisher im Gazastreifen verletzt wurden. 1,4 Millionen Menschen sind dort wegen Israels Angriffen nach UN-Angaben auf der Flucht.
Palästinensische Extremisten hatten Israel Anfang Oktober attackiert und dort Massaker an Hunderten Israelis verübt. Mehr als 1400 Menschen wurden getötet, zudem wurden nach israelischen Armeeangaben mindestens 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel riegelte das Küstengebiet daraufhin ab und begann mit Luft- und Bodenangriffen.
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