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Aktuell Bundestag

Worum es in der Debatte über neue Organspende-Regeln geht

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat für neue Organspende-Regeln geworben. Leitgedanke sei, angesichts von mehr als 10 000 Menschen, die auf Organe warten, die Zahl der Spender zu erhöhen, sagte der CDU-Politiker in einer Debatte über grundlegende ethische Fragen am Mittwoch im Bundestag.

Wird Jens Spahns Forderung zum Gesetz, dann gibt es bald keine Ausweise mehr. FOTO: DPA
Wird Jens Spahns Forderung zum Gesetz, dann gibt es bald keine Ausweise mehr. FOTO: DPA
Wird Jens Spahns Forderung zum Gesetz, dann gibt es bald keine Ausweise mehr. FOTO: DPA
BERLIN. In der Debatte machten zahlreiche Abgeordnete massive Bedenken gegen eine solche Umstellung deutlich. Die Widerspruchslösung missachte das Selbstbestimmungsrecht der Bürger und verkehre die freie Entscheidung zugunsten einer Spende ins Gegenteil, sagte die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus. Eine Gruppe von Abgeordneten um Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linke-Chefin Katja Kipping schlug eine »verbindliche wiederkehrende Abfrage« etwa beim Abholen neuer Pässe oder Personalausweise vor - ausdrücklich auch mit der Option, sich noch nicht für oder gegen Organspenden entscheiden zu wollen.

Im Bundestag zeichnen sich bisher verschiedene Positionen ab.

PRO WIDERSPRUCHSLÖSUNG: Spahn argumentiert, dass seit Jahren vieles versucht worden sei, um die Zahl der Organspender zu erhöhen - ohne Erfolg. Neue Regeln sollten daher dazu führen, dass Organspenden »zum Normalfall« werden. Dies bedeute auch keine »Organabgabepflicht«, da man dazu »konsequenzenlos« Nein sagen könne. Ein Nein aussprechen zu müssen, sei in einer freien Gesellschaft zumutbar. Sympathie für die doppelte Widerspruchslösung hat auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekundet, ebenfalls dafür ist SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach.

CONTRA WIDERSPRUCHSLÖSUNG: Mehrere Abgeordnete haben Bedenken gegen eine solche Umstellung deutlich gemacht. »Der Gesetzgeber würde damit diese sehr persönliche Entscheidung vorwegnehmen, die dann nur mit aktivem Widerspruch aufgehoben werden könnte«, warnte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Sie schlägt vor, die Bereitschaft zu Organspenden regelmäßig beim Abholen eines neuen Personalausweises oder Passes abzufragen - samt einer Option, aktuell nicht entscheiden zu wollen. Einen ähnlichen Vorschlag für eine »verbindliche Entscheidungslösung« hat etwa auch der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger gemacht.

DIE ZAHLEN: In Deutschland warten laut Gesundheitsministerium mehr als 10 000 Menschen auf Spenderorgane. Schon seit 2012 gingen die Spenderzahlen aber herunter. Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Spender auf einen Tiefpunkt von 797. Für dieses Jahr zeichnet sich aber erstmals wieder ein Anstieg ab. Bis Mitte November registrierte die Deutsche Stiftung Organtransplantation bereits 832 Spender.

DIE WEITEREN SCHRITTE: In der »Orientierungsdebatte« geht es noch nicht um konkrete Entscheidungen. Mehrere Parlamentarier planen aber fraktionsübergreifende Anträge. Spahn hat dies - nicht als Minister, sondern als Abgeordneter - schon angekündigt. Sein Ressort bietet auch Abgeordneten mit anderen Positionen Unterstützung für Anträge an. Eine Entscheidung des Bundestags strebt er bis Mitte 2019 an. Unabhängig von der Debatte über neue Regeln hat die Bundesregierung ein Gesetz für bessere Bedingungen in den Krankenhäusern auf den Weg gebracht. Kernpunkte sind höhere Vergütungen durch die Krankenkassen und mehr Freiraum für Transplantationsbeauftragte in den Kliniken. (dpa)

Mehr Meldungen und mehr Organspender in 2018

Ende Oktober zählte die Deutsche Stiftung Organtransplantation 787 durchgeführte Organspenden in Deutschland. Damit lag die Zahl der Spender bereits nahe am Gesamtergebnis des vergangenen Jahres (2017: 797) und hat aktuell mit 832 Organspenden (Stand 18. November) diese Marke deutlich überschritten. Nach derzeitiger Hochrechnung ergibt sich für 2018 eine Spenderrate von über 11 Spendern pro eine Million Einwohner. Im Jahr 2017 lag diese bei 9,7. Auch die Summe der entnommenen Organe ist gestiegen. Bislang konnten 2.566 Organe aus Deutschland über Eurotransplant an schwerkranke Wartelistenpatienten vermittelt werden. Es waren 1.317 Nieren, 245 Herzen, 286 Lungen, 644 Lebern, 72 Bauchspeicheldrüsen und 2 Dünndärme. Jedes einzelne Organ bedeutet Hoffnung für schwerkranke Menschen, für die es keine anderen Therapiemöglichkeiten mehr gibt. (pr)

 

Die häufigsten Fragen zur Organspende

Gibt es eine Altersgrenze für die Organspende?

Für die Organspende gibt es keine feststehende Altersgrenze. Entscheidend ist der Zustand der Organe. Dieser hängt jedoch nur bedingt vom kalendarischen Alter ab. Über die Frage, ob ein Organ transplantiert werden kann, entscheiden medizinische Tests nach dem Tode – und letztlich der Arzt, der die Organe transplantiert. Völlig unabhängig vom Alter kann die Augenhornhaut (außer bei Säuglingen und Kleinkindern) gespendet werden.

Welche (Vor-)Erkrankungen schließen eine Organspende aus?

Eine Organentnahme wird in der Regel ausgeschlossen, wenn beim Verstorbenen eine akute maligne Tumorerkrankung oder ein positiver HIV-Befund vorliegen. Bei allen anderen  Erkrankungen entscheiden die Ärzte nach den vorliegenden Befunden, ob Organe für eine Entnahme in Frage kommen.

Muss oder kann ich mich als Organspender registrieren lassen?

Eine Registrierung von Daten im Zusammenhang mit der Bereitschaft zur Organspende findet nicht statt. Es existiert in Deutschland auch kein Widerspruchsregister (Eintragung der

Ablehnung). Deshalb ist es wichtig, die eigene Entscheidung auf einem Organspendeausweis festzuhalten und mit der Familie darüber zu sprechen. Genauso wenig ist es notwendig, sich ärztlich untersuchen zu lassen, bevor man sich zur Organspende bereit erklärt. Die medizinische Eignung der Organe für eine Transplantation wird geprüft, nachdem der Tod nach den Richtlinien der Bundesärztekammer festgestellt worden ist.

Genügt der Organspendeausweis als Rechtsgrundlage für eine Organentnahme? Werden die Angehörigen trotz Organspendeausweis um ihre Zustimmung gebeten?

Ist das Einverständnis des Verstorbenen dokumentiert, so ist eine Organentnahme rechtlich zulässig. Der Wille des Verstorbenen hat Vorrang. Bei vorliegendem Organspendeausweis werden die Angehörigen also nicht um eine Entscheidung zur Organspende gebeten, sie müssen jedoch darüber informiert werden.

Unter welchen Bedingungen ist eine Lebendspende möglich?

Die Bedingungen für die Lebendspende regelt das Transplantationsgesetz. Dabei räumt der Gesetzgeber der Organspende nach dem Tod grundsätzlich Vorrang vor der Lebendspende ein. In Deutschland ist eine Organspende zu Lebzeiten nur unter Verwandten ersten oder zweiten Grades, unter Ehepartnern, Verlobten und unter Menschen möglich, die sich in besonderer persönlicher Verbundenheit nahe stehen. Eine unabhängige Gutachterkommission prüft, ob die Spende freiwillig und ohne finanzielle Interessen geschieht. Es muss außerdem sicher gestellt sein, dass für den Empfänger zum Zeitpunkt der geplanten Übertragung kein Organ aus einer postmortalen Organspende zur Verfügung steht. Spender und Empfänger müssen sich zur ärztlichen Nachbetreuung bereit erklären.

Im Operationssaal beginnt der Aufbruch in ein neues Leben: Nierentransplantation an der Uniklinik Tübingen.
Im Operationssaal beginnt der Aufbruch in ein neues Leben: Nierentransplantation an der Uniklinik Tübingen. Foto: dpa
Im Operationssaal beginnt der Aufbruch in ein neues Leben: Nierentransplantation an der Uniklinik Tübingen.
Foto: dpa

Welche Voraussetzungen müssen für eine postmortale Organspende erfüllt sein?

Bevor Organe für eine Transplantation entnommen werden können, müssen zwei grundlegende Voraussetzungen erfüllt sein: Der Tod des Spenders muss durch Feststellung des irreversiblen Ausfalls der Gesamtfunktion des Gehirns nach den Richtlinien der Bundesärztekammer festgestellt worden sein. Zweitens muss für die Entnahme eine Einwilligung vorliegen, entweder in Form einer schriftlichen Einverständniserklärung des Verstorbenen (Organspendeausweis) oder indem eine vom Verstorbenen dazu bestimmte Person oder die Angehörigen im Sinne des Verstorbenen einer Entnahme zustimmen.

Ich habe bereits einen Organspendeausweis. Wird auf einer Intensivstation trotzdem alles medizinisch Mögliche für mich getan, wenn ich lebensbedrohlich erkranke?

Ziel aller medizinischen Maßnahmen im Falle eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung ist es, das Leben des Patienten zu retten. Die Bemühungen der Notärzte, Rettungsteams und der Intensivmediziner sind allein auf dieses Ziel ausgerichtet. Manchmal kann der Patient trotz aller Bemühungen nicht mehr gerettet werden, Krankheit oder Unfallfolgen sind zu weit fortgeschritten. Mitunter tritt der Tod dabei durch den unumkehrbaren Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms ein; Kreislauf und Atmung können nur noch künstlich durch Beatmung und Medikament aufrechterhalten werden. Nur bei dieser kleinen Gruppe von Verstorbenen stellt sich die Frage einer Organspende:

Voraussetzung für die Organspende ist dabei immer, dass der Tod des Organspenders gemäß dem Transplantationsgesetz von zwei dafür qualifizierten Ärzten unabhängig voneinander nach den Richtlinien der Bundesärztekammer festgestellt worden ist. Diese Ärzte dürfen weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe des Organspenders beteiligt sein, noch der Weisung eines beteiligten Arztes unterstehen.

Ich bin noch nicht volljährig. Kann ich trotzdem einen eigenen Organspendeausweis ausfüllen?

Minderjährige können ab dem 16. Lebensjahr ihre Bereitschaft zur Organspende auf einem Ausweis dokumentieren. Der Widerspruch kann bereits ab dem 14. Lebensjahr erklärt werden. Den Organspendeausweis gibt es unter anderem beim Infotelefon Organspende unter der kostenlosen Rufnummer 0800/90 40 400.

Kann die Familie den Verstorbenen nach der Organentnahme nochmals sehen?

Die Familie kann in der von ihr gewünschten Weise Abschied von dem Verstorbenen nehmen. Nach der Entnahmeoperation wird die Operationswunde mit der gebührenden Sorgfalt verschlossen. Der Leichnam kann aufgebahrt werden und die Bestattung wie gewünscht stattfinden.

Ist die Organspende möglich, wenn gleichzeitig eine Patientenverfügung existiert?

Ja. Man kann diese so verfassen, dass die Möglichkeit zur Organspende erhalten bleibt. Um Unsicherheiten und Konflikte zu vermeiden, ist es wichtig, gerade zu diesen Punkten  eindeutige Angaben zu machen und die Angehörigen darüber zu informieren. Eine Formulierung wäre beispielsweise »Grundsätzlich bin ich zur Spende meiner Organe/Gewebe bereit. Es ist mir bewusst, dass Organe nur nach Feststellung des unumkehrbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bei aufrechterhaltenem Kreislauf entnommen werden können. Deshalb gestatte ich ausnahmsweise für den Fall, dass bei mir eine Organspende medizinisch infrage kommt, die kurzfristige (Stunden bis höchstens wenige Tage umfassende) Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen bis zur Feststellung des Todes nach den Richtlinien der Bundesärztekammer und zur anschließenden Entnahme der Organe.«

Welche gesetzliche Regelung gilt in Deutschland?

Seit November 2012 gilt in Deutschland die so genannte Entscheidungslösung. Sie schreibt vor, dass jeder Bürger regelmäßig in die Lage versetzt werden soll, sich mit der Frage der eigenen Entscheidung zur Organspende ernsthaft zu befassen und eine Erklärung zu dokumentieren. Seit Inkrafttreten des deutschen Transplantationsgesetzes im Dezember 1997 gilt in Deutschland außerdem: Der Wille des Verstorbenen zu Lebzeiten hat Vorrang. Liegt keine Zustimmung vor, z.B. in Form eines Organspendeausweises, werden die Angehörigen gebeten, eine Entscheidung nach dem vermuteten Willen des Verstorbenen zu treffen. Hat der mögliche Organspender die Entscheidung auf eine bestimmte Person übertragen, tritt diese an die Stelle des nächsten Angehörigen.

Welche Regelungen gelten im europäischen Ausland?

Die Organspende ist in den verschiedenen europäischen Staaten unterschiedlich geregelt. In Deutschland gilt seit November 2012 die Entscheidungslösung. Beispielsweise in Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden gilt die erweiterte Zustimmungslösung. Das bedeutet, dass jeder Einzelne für sich entscheidet, ob er nach seinem Tod Organe spenden möchte. Der persönliche Wille wird in jedem Fall akzeptiert. Für den Fall, dass keine Entscheidung bekannt ist, entscheiden die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen. In anderen Ländern wie Frankreich, Italien, Österreich, und Spanien gilt die Widerspruchslösung. Hier wird erwartet, dass jeder, der eine Organspende für sich ablehnt, zu Lebzeiten seinen Widerspruch dokumentiert. Ist dies nicht geschehen, kann nach Feststellung des Todes eine Organentnahme durchgeführt werden. Wie die Organspende auch geregelt ist: Um sicherzustellen, dass der eigene Wille berücksichtigt wird, ist es sinnvoll, seine persönliche Entscheidung in einem Organspendeausweis zu dokumentieren und den Angehörigen mitzuteilen. Damit die eigene Entscheidung auch im fremdsprachigen Ausland verstanden und beachtet wird, empfiehlt es sich, ein übersetztes Beiblatt zum Organspendeausweis mitzuführen. Es kann in allen EU-Amtssprachen von der Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (www.bzga.de) herunter geladen werden. Dort ist auch ein Organspendeausweis in Türkisch zu finden. Eine Übersicht über die geltenden Regelungen in den verschiedenen europäischen Ländern sowie weitere Informationen zur Organspende finden Sie unter www.dso.de und www.bzga.de .

Das Infotelefon Organspende, eine gemeinsame Einrichtung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Deutschen Stiftung Organtransplantation, beantwortet alle Fragen rund um die Organspende. Unter der gebührenfreien Rufnummer 0800/90 40 400 ist das Infotelefon montags bis freitags von 9.00 bis 18.00 Uhr erreichbar.

www.organspende.de