Berlin (dpa) - Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat mit der Einstufung von Unterlagen für den Maut-Untersuchungsausschuss als vertrauliche Verschlusssachen den Zorn der Opposition auf sich gezogen.
Dies gleiche einem »nachträglichen Maulkorb« für die Abgeordneten, die eine lückenlose Aufklärung des Maut-Desasters herbeiführen wollten, sagte der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Christian Jung, in Berlin. Bereits klassifizierte Dokumente nachträglich mit einer höheren Geheimhaltungsstufe zu versehen, verhindere eine öffentliche Debatte. Scharfe Kritik kam auch von Grünen und Linken. Scheuer ließ Vorwürfe »entschieden« zurückweisen, er wolle die Arbeit des Gremiums behindern.
Der Untersuchungsausschuss hatte vor einer Woche seine Arbeit aufgenommen. Das Verkehrsministerium stellte dem Gremium nun Akten zur Verfügung, die zuvor dem Verkehrsausschuss des Bundestags vorgelegt worden waren - Scheuer hatte dem Ausschuss im Juli öffentlichkeitswirksam ordnerweise Akten mitgebracht. Allerdings habe das Ministerium nun einige Dokumente entfernt und diese dem Untersuchungsausschuss über die Geheimschutzstelle als Verschlusssachen zugeleitet, sagte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Udo Schiefner (SPD).
»Geht es um den berechtigten Schutz von Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder die Wahrung von Betriebsgeheimnissen, ist alles in Ordnung«, sagte Schiefner der Deutschen Presse-Agentur. »Entsteht jedoch berechtigt der Eindruck, die Arbeit des Ausschusses würde behindert oder auch nur erschwert, ist das überhaupt nicht in Ordnung.« Dies müsse geklärt werden. »Maximale Transparenz bedeutet für mich, dass nur verschlossen bleibt, was verschlossen bleiben muss.«
Das Verkehrsministerium erklärte, weiterhin für »maximal mögliche Transparenz« zu stehen. Alle Akten, die bereits dem Verkehrsausschuss vorlagen, seien nun dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt worden. Damit entspreche das Ministerium einem entsprechenden Beweisbeschluss. »Die Unterlagen waren auch bisher schon ausschließlich parlamentsöffentlich.« Da im Untersuchungsausschuss die Beweisaufnahme aber öffentlich sei, sei bei einem Teil der Akten eine Änderung der Einstufung vorgenommen worden - um sensible Daten zu schützen. »Das heißt: Vorher wie nachher sind die Akten parlamentsöffentlich.«
Wie aus einer Mail des Sekretariats des U-Ausschusses hervorgeht, soll die andere Einstufung von Unterlagen der Beeinträchtigung eines »etwaigen schiedsgerichtlichen Verfahrens vorbeugen und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse« wahren. Hintergrund ist ein mögliches Schiedsverfahren über mögliche Schadenersatzforderungen der eigentlich vorgesehenen Maut-Betreiber an den Bund.
Scheuer steht in der Kritik, weil er Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut mit den Betreibern Kapsch und CTS Eventim 2018 geschlossen hatte - bevor endgültige Rechtssicherheit bestand. Dann aber erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Maut Mitte Juni für rechtswidrig. Scheuers Ministerium kündigte umgehend die Verträge. Daraus könnten nun Forderungen der Firmen resultieren, letztlich zu Lasten der Steuerzahler. In der Opposition ist von mehreren Hundert Millionen Euro die Rede. Auf dem Tisch liegen Forderungen aber weiterhin nicht.
Die Opposition wirft Scheuer vor, Verträge zur Maut voreilig abgeschlossen, Haushalts- und Vergaberecht gebrochen und Regelungen zum Schadenersatz vereinbart zu haben. Die nächste Sitzung des Ausschusses ist Mitte Januar geplant.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stärkte Scheuer den Rücken. Sie sagte in der Regierungsbefragung im Bundestag: »Ich finde, dass Andy Scheuer eine sehr gute Arbeit macht.« Die Vorwürfe zur Maut würden jetzt alle »sauber abgearbeitet im Untersuchungsausschuss«. Sie finde es auch gut, dass die Vorwürfe dort beraten würden und es so Klarheit gebe. Sie wolle den Ergebnissen nicht vorgreifen.
Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic sagte mit Blick auf die Unterlagen für den U-Ausschuss, anstatt für die großspurig angekündigte Transparenz zu sorgen, setze Scheuer nun auf Geheimniskrämerei." Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler sprach von einer offensichtlichen Behinderung der Aufklärungsarbeit, die ihresgleichen suche. Der Linke-Politiker Jörg Cezanne sagte, Scheuer behindere die Aufklärungsarbeit des Ausschusses, indem er Akten als vertrauliche Verschlusssache einstufe und diese somit der öffentlichen Beratung entziehe.