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Widerstand gegen geplante Reform des Aufenthaltsrechts

Die Ampel peilt einen »Neustart« in der Asyl- und Migrationspolitik an. Ein neues Gesetz etwa soll Geduldeten eine Bleibeperspektive eröffnen. Die Opposition lehnt dieses Vorhaben allerdings ab.

Flüchtling in der Ausbildung
Der 19-jährige Mohammad aus Afghanistan arbeitet im Ausbildungszentrum der Siemens Professional Education an der Verdrahtung eines Schaltschranks. Foto: Monika Skolimowska
Der 19-jährige Mohammad aus Afghanistan arbeitet im Ausbildungszentrum der Siemens Professional Education an der Verdrahtung eines Schaltschranks.
Foto: Monika Skolimowska

Das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht, das geduldeten Ausländern eine langfristige Bleibeperspektive eröffnen soll, stößt bei der Opposition auf breiten Widerstand. Während CDU/CSU und AfD am Mittwochabend bei der ersten Lesung im Bundestag vor Fehlanreizen und Asylmissbrauch warnten, gehen der Linken die Pläne der Ampel-Koalition nicht weit genug.

Von dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen integrierte Ausländer profitieren, die schon mehrere Jahre ohne gesicherten Status in Deutschland leben. Wer am 1. Januar fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig geworden ist, bekommt den Plänen zufolge ein Jahr Zeit, um die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen - dazu gehören etwa Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts.

»Wir wollen, dass Menschen, die gut integriert sind, auch gute Chancen in Deutschland haben«, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und sprach von einem »Neustart in der Migrationspolitik«. Der FDP-Politiker Stephan Thomae ergänzte, im Jahr 2021 habe es 136 605 geduldete Ausländer gegeben, die sich seit mehr als fünf Jahren in Deutschland aufhalten. »Wir wollen diese Menschen von Hilfeempfängern zu Steuerzahlern machen.«

Warnung vor Fehlanreizen

Der CDU-Abgeordnete Detlef Seif warnte hingegen vor Fehlanreizen im Asylsystem. Das Gesetz sende das Signal aus: »Wer es geschafft hat, nach Deutschland zu kommen, wird auch bleiben.« Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Gottfried Curio, klagte, Deutschland werde dadurch die Chance genommen, »Asylbetrüger« loszuwerden. »Rechtsbrecher werden von dieser Regierung belohnt.« Clara Bünger von der Linken bezeichnete die Pläne der Ampel-Koalition unterdessen als »viel zu unambitioniert«. Zu wenige Geduldete profitierten davon, weil die Anforderungen für ein dauerhaftes Bleiberecht viel zu hoch seien.

Die stellvertretende Unions-Fraktionschefin Andrea Lindholz (CSU) äußerte generelle Bedenken gegen die Ampel-Pläne beim Aufenthaltsrecht. »Künftig sollen Ausreisepflichtige bis 27 Jahre bereits nach drei Jahren Aufenthalt und Schulbesuch in Deutschland ein Bleiberecht erhalten - damit entsteht ein Bleiberecht für junge Leute unabhängig von ihrem tatsächlichen Schutzanspruch«, kritisierte Lindholz. Das Ergebnis der Asylverfahren werde dadurch in vielen Fällen irrelevant. »Das ist grotesk und produziert im Zweifel Nachahmer, also noch mehr irreguläre Zuwanderung nach Deutschland.«

Regelüberprüfung könnte abgeschafft werden

Ein weiteres Vorhaben, das auf die Beschleunigung der Asylverfahren abzielt, soll nach Angaben aus Koalitionskreisen noch in diesem Jahr im Bundestag beraten werden. Laut einem Referentenentwurf, der bereits zur Stellungnahme an Länder und Verbände verschickt wurde, soll gleichzeitig die sogenannte Regelüberprüfung abgeschafft werden. Bei dieser Prüfung wird bisher nach einer bestimmten Frist automatisch geschaut, ob es Gründe für einen Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung der Asylberechtigung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gibt. Diese Überprüfung soll künftig - auch um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu entlasten - nur noch »anlassbezogen« erfolgen.

Der Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sieht zudem die Einführung einer behördenunabhängigen Beratung für Asylbewerber vor, die vom Bund finanziell gefördert wird. Dazu heißt es, es sei beabsichtigt, die Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege sowie gegebenenfalls "weitere zivilgesellschaftliche Akteure" mit der Asylverfahrensberatung zu betrauen. "Um den Ausländer bestmöglich auf die Anhörung vorzubereiten, soll
die behördenunabhängige Asylverfahrensberatung, wenn möglich, bereits vor der Anhörung ansetzen", schlägt das Bundesinnenministerium vor.
Für das Jahr 2023 sind für die Förderung 20 Millionen Euro veranschlagt. Ab 2024 werde mit einem jährlichen Finanzierungsbedarf in Höhe von 80 Millionen Euro kalkuliert.

Fragen zu Ablauf, Zuständigkeit und Finanzierung

Es sei wichtig, die Asylverfahren deutlich zu beschleunigen, damit schnell Klarheit darüber bestehe, wer in Deutschland bleiben könne und wer nicht, sagte Thomae. Mit Blick auf die unabhängige Beratung von Asylbewerbern stellten sich ihm aber noch einige Fragen, was Ablauf, Zuständigkeit und die Finanzierung betreffe.

Ob das geplante Gesetz tatsächlich zu einer Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren führen werde, müsse sich erst noch erweisen, sagte Lindholz. Sie befürchte eher, »dass die Verfahren durch die künftig staatlich geförderte behördenunabhängige Asylverfahrensberatung noch weiter in die Länge gezogen werden«.

© dpa-infocom, dpa:221019-99-187062/2