Krankenhäuser arbeiten nur noch im Minimalbetrieb, Patienten sollen deshalb gestorben sein und die Wasserversorgung ist in Gefahr - massiver Treibstoffmangel macht den Menschen im Gazastreifen das Leben im Krieg noch schwerer. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths forderte mindestens einige Hunderttausend Liter Sprit für das Küstengebiet.
Warum sind Treibstofflieferungen so wichtig?
Schon vor dem Krieg war die Stromversorgung prekär. Es gab jeden Tag stundenlange Stromausfälle. Deshalb nutzen etwa Krankenhäuser, Schulen und auch viele private Haushalte Generatoren, die mit importiertem Treibstoff zum Laufen gebracht wurden.
Auch Entsalzungsanlagen für die Aufbereitung von Trinkwasser werden mit Treibstoff betrieben. Gleiches gilt für Pumpen für die Wasserversorgung. Auch das einzige, inzwischen abgeschaltete Kraftwerk im Gazastreifen benötigt Treibstoff.
Warum erlaubt Israel keine Treibstofflieferungen?
Nach dem Massaker der Hamas in Israel hat die Regierung in Jerusalem die Stromversorgung sowie Treibstofflieferungen in den Gazastreifen gekappt. Israel fürchtet, dass der Treibstoff in die Hände der Hamas gelangen und dann auch für den Abschuss von Raketen missbraucht werden könnte. Extremistische Palästinenser feuern täglich Geschosse Richtung Israel. Das Land ist zudem überzeugt, dass die Hamas Hunderttausende Liter Treibstoff bunkert, diesen aber der Zivilbevölkerung verwehrt.
Wie sieht es aktuell mit der Energieversorgung aus?
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rationieren Kliniken ihren Treibstoffverbrauch, um Reserven zu schonen. Die Vereinten Nationen hatten bislang eigenen Angaben zufolge noch Treibstoff in einem Lager nahe des Grenzübergangs zu Ägypten. Dieses Depot - mit Kenntnis von Israel seit 2021 beliefert und von Katar bezahlt - sei nun leer, hieß es.
Erstmals rollte seit Beginn des Gaza-Kriegs ein mit Treibstoff befüllter Tankwagen von Ägypten aus über die Grenze. Nach Angaben der für Kontakte mit den Palästinensern zuständigen israelischen Cogat-Behörde soll es sich bei dem Treibstoff um Diesel handeln. Dieser darf nach Angaben des UNRWA nur zum Betanken der Lastwagen für Hilfslieferungen, nicht aber etwa für Krankenhäuser verwendet werden.
Laut dem Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge (UNWRA) handelt es sich um einen halbgefüllten Tanklastwagen - und damit nur neun Prozent dessen, was die UN-Organisation täglich für ihre lebensrettenden Aktivitäten brauche. Vor dem Krieg fuhren UN-Angaben zufolge täglich etwa 45 Lastwagen mit Treibstoff für kommerzielle und humanitäre Zwecken ins Küstengebiet.
Welche konkreten Auswirkungen hat der Treibstoffmangel?
Wegen Strommangel und fehlender Güter haben laut WHO 22 der insgesamt 36 Krankenhäuser im Gazastreifen ihren Betrieb eingestellt. Die übrigen Kliniken arbeiteten nur noch im Minimalbetrieb. In der Schifa-Klinik sollen nach Darstellung der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde und der UN wegen Stromausfalls zu früh geborene Babys sowie weitere Patienten ums Leben gekommen sein. Beide nannten unterschiedliche Zahlen der Getöteten. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Unklar ist, inwieweit Einrichtungen andere Stromquellen nutzen können. Nach Angaben der israelischen Cogat-Behörde verfügt etwa jedes Krankenhaus über ein eigenes System zur Versorgung mit Solarenergie. In Gesundheitszentren des UNRWA ist Solarenergie UN-Angaben nach nur für einen Minimalbetrieb ausgelegt.
Im Gazastreifen fehlt es UN-Angaben nach auch an Sprit für Krankenwagen, Gabelstapler und für die Transporter, die Hilfen nach ihrer Ankunft im Gazastreifen weiterverteilen. Zwei Wasserversorger im Süden des Gazastreifens hätten mangels Treibstoff bereits ihre Arbeit eingestellt. Betroffen seien davon 200.000 Menschen. Es drohe zudem ein Totalausfall der Telekommunikation. Rettungskräfte und Krankenwagen können nach UN-Angaben vielfach keine Notrufe mehr annehmen.
Wird das Thema auch politisch genutzt?
Die Hamas, aber auch die UN machen Israel schwere Vorwürfe. Seit Beginn des Krieges gegen die Hamas werde Benzin als Waffe eingesetzt, sagte etwa UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini. Doch Kritik regt sich inzwischen auch bei den Vereinten Nationen. Diese hatten bereits mehrfach vor dem Aus ihrer Aktivitäten im Zuge des Treibstoffmangels gewarnt - ohne dass dies in jedem Fall eintrat.
Wegen der Angriffe sei nicht klar gewesen, ob Treibstoff aus ihrem Depot geholt werden könne, argumentierten die UN. Deshalb gebe etwa das UNRWA täglich Warnungen heraus. Das Verhältnis zwischen Israel und den Vereinten Nationen gilt als sehr belastet. In den UN-Organen spiegelt sich die Haltung der Länder der Welt, von denen die Mehrheit Israel gegenüber kritisch oder gar feindlich eingestellt ist.
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