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Wann entscheiden sich FPÖ und SPÖ?

Das Schicksal von Kanzler Sebastian Kurz liegt in den Händen seiner Konkurrenten. SPÖ und FPÖ könnten den 32-Jährigen mit einem gemeinsamen Misstrauensvotum aus dem Amt werfen. Die Sozialdemokraten lassen aber noch eine Tür für den Kanzler offen.

WIEN. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aus dem Amt jagen oder die staatspolitische Verantwortung hochhalten: Für SPÖ und FPÖ stehen in der Regierungskrise in Österreich weitreichende Entscheidungen an.

Mit einem gemeinsamen Votum könnten sie Kurz am Montag in einer Sondersitzung des Parlaments stürzen. Ob sie diesen Schritt gehen werden, haben beide Parteien noch nicht entschieden. Die Sozialdemokraten formulierten stattdessen einige Bedingungen, die der Kanzler bis Montag für ihr Vertrauen erfüllen sollte.

Die 2. Parlamentspräsidentin und stellvertretende SPÖ-Vorsitzende Doris Bures forderte Kurz auf, wieder zur Sozialpartnerschaft zurückzukehren und auch dafür zu sorgen, dass Österreich hinsichtlich der Pressefreiheit wieder ein besseres Image erlangt. Dazu solle er etwa die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen ORF sicherstellen. Zuletzt war immer wieder darüber diskutiert worden, den öffentlich-rechtlichen Sender künftig aus Steuern statt mit Gebühren zu finanzieren, was vor allem der FPÖ ein Anliegen ist.

Außerdem forderte Bures mehr Transparenz bei Großspenden an Parteien. Sie kritisierte, dass Kurz bisher keine Gespräche mit den im Parlament vertretenen Parteien geführt habe. »So geht man mit einem Parlament nicht um, das man dann braucht, um das Vertrauen zu erhalten«, sagte Bures in der Nachrichtensendung »ZiB2« des ORF. »Damit man nicht das Misstrauen erhält, muss man sich um das Vertrauen kümmern. Das Vertrauen fällt einem nicht in den Schoß.«

Das Angebot der Sozialdemokratin kann als Reaktion auf die Appelle von Bundespräsident Alexander Van der Bellen interpretiert werden. Van der Bellen hatte am Montag gleich zwei Mal betont, dass die Parteien und Politiker in Österreich zusammenhalten sollten. »Denken Sie jetzt bitte nicht daran, was Sie für ihre Partei kurzfristig herausholen können, sondern denken Sie daran, was Sie für Österreich tun können«, sagte der Bundespräsident. »Fragen Sie nicht «Hilft es mir bei der Wahl», sondern fragen Sie «Hilft es Österreich?»«

Die Alpenrepublik steckt seit der Veröffentlichung eines skandalösen Videos aus dem Jahr 2017 durch »Spiegel« und »Süddeutsche Zeitung« in einer schweren Regierungskrise. Das Video zeigt den bisherigen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, wie er vor der Wahl von 2017 auf Ibiza einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte Staatsaufträge für Wahlkampfhilfe in Aussicht stellte. Auch werden darin möglicherweise illegale Parteispenden an die FPÖ thematisiert.

Strache ist als Vize-Kanzler und FPÖ-Parteichef zurückgetreten, Neuwahlen wurden ausgerufen. Kanzler Kurz bat um die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), da dieser im Juli 2017 - also als das Skandal-Video entstand - FPÖ-Generalsekretär war und nun gegen sich selbst ermitteln müsste. Daraufhin traten die FPÖ-Minister aus Solidarität zurück.

Kanzler Kurz will heute die Experten für seine Übergangsregierung vorstellen, die die Posten der bisherigen Kabinettsmitglieder der FPÖ übernehmen werden. Es ist davon auszugehen, dass der Bundespräsident die neuen Minister der Übergangsregierung auch sofort vereidigen wird. Die parteilose Außenministerin Karin Kneissl, die von der FPÖ für das Regierungsamt nominiert worden war, bleibt im Kabinett.

Van der Bellen war bemüht, den Bürgern Mut zu machen. »Ich bitte Sie, wenden Sie sich nicht angewidert von der Politik ab«, sagte er bei einer Ansprache. »Meine Damen und Herren, nur Mut und etwas Zuversicht, wir kriegen das schon wieder hin.« (dpa)

Beitrag in der Süddeutschen Zeitung