Der frühere US-Präsident und aktuelle Präsidentschaftsbewerber Donald Trump will vor dem Obersten Gerichtshof des Landes seine Teilnahme an den anstehenden Vorwahlen in den USA durchsetzen. Wie Trumps Wahlkampfteam mitteilte, wandte er sich gestern (Ortszeit) an den Supreme Court in Washington, um einen Beschluss aus dem Bundesstaat Colorado zu kippen.
Das höchste Gericht dort hatte in einem explosiven Urteil entschieden, dass sich der 77-Jährige durch seine Rolle im Zusammenhang mit der Attacke auf das Kapitol 2021 für die Vorwahl in Colorado disqualifiziert habe. Eine ähnliche Entscheidung fiel später im Bundesstaat Maine. Anderswo laufen noch entsprechende Klagen. Sowohl Gegner als auch Unterstützer Trumps forderten den Supreme Court auf, die heikle Frage nun möglichst schnell zu klären und das Vorwahl-Chaos zu beenden.
Das steckt dahinter
Trump will bei der nächsten US-Präsidentenwahl Anfang November erneut für die Republikaner kandidieren. Wer als Präsidentschaftskandidat für die Republikaner oder die Demokraten antreten will, muss sich zunächst in parteiinternen Vorwahlen durchsetzen. Kläger versuchen seit einiger Zeit in diversen Bundesstaaten, Trumps Teilnahme an den Vorwahlen zu verhindern und auf der Grundlage seines Verhaltens rund um den 6. Januar 2021 von Wahlzetteln streichen zu lassen.
Damals hatten Trumps Anhänger gewaltsam den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Joe Biden gegen Trump bei der Präsidentenwahl von 2020 formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede durch unbelegte Behauptungen aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg durch massiven Betrug gestohlen worden sei. Infolge der Krawalle kamen damals fünf Menschen ums Leben.
Das sagen die Kläger
Trump-Gegner argumentieren mit Klagen im ganzen Land, der Republikaner habe mit seinem Beitrag an dem Angriff sein Recht verspielt, noch mal als Präsident zu kandidieren. Sie argumentieren mit dem sogenannten Aufstandsverbot im 14. Verfassungszusatz. Demnach darf niemand ein höheres Amt im Staat bekleiden, der sich zuvor als Amtsträger an einem Aufstand gegen den Staat beteiligt hat. Zwar werden in der Passage einige Beispiele für solche höheren Ämter genannt, nicht explizit aufgeführt ist aber das Amt des Präsidenten.
In Bundesstaaten wie Michigan und Minnesota scheiterten die Versuche der Kläger, Trump zu disqualifizieren. Anderswo stehen Entscheidungen noch aus. In Maine und Colorado fielen Beschlüsse gegen Trump. Die beiden Entscheidungen wurden in Erwartung von Trumps Einspruch allerdings vorerst ausgesetzt. Das heißt, vorerst bleibt sein Name dort auf den Wahlzetteln - bis das Berufungsprozedere beendet ist.
Der Supreme Court ist am Zug
Es war absehbar, dass die Angelegenheit vor dem Obersten Gerichtshof der USA landen würde - da inzwischen konträre Beschlüsse auf höchster Ebene der Bundesstaaten vorliegen. Im Namen der republikanischen Partei in Colorado hatte sich vor Trump bereits die Organisation American Center for Law and Justice an den Supreme Court gewandt, um gegen die Entscheidung in dem Bundesstaat vorzugehen. Nun folgte der Antrag von Trump selbst - sein Team hatte dies vorab angekündigt.
Trump hatte während seiner Amtszeit die Mehrheit am Obersten US-Gericht deutlich nach rechts verschoben. Sechs der neun Richterinnen und Richter gelten inzwischen als konservativ. Dennoch entschied das Oberste Gericht nicht immer in seinem Sinne.
Vor dem Supreme Court argumentieren Trumps Anwälte nun, das Gericht in Colorado habe seine Befugnisse überschritten - die Frage nach der Tauglichkeit eines Präsidenten sei eine Angelegenheit für den US-Kongress und nicht für staatliche Gerichte. Der Verfassungszusatz, auf den sich die Kläger berufen, sei im Falle Trumps nicht anwendbar. Trumps Wahlkampfteam wertete die Gerichtsentscheidung aus Colorado als »unamerikanischen, verfassungswidrigen Akt der Wahleinmischung«.
In Maine hatte nicht ein Gericht gegen Trump entschieden, sondern die oberste Wahlaufseherin des Bundesstaates. Auch dagegen legte Trump bereits Einspruch ein, zunächst bei einem Gericht in Maine. Der Fall muss noch mehrere Distanzen durchlaufen. Eine inhaltliche Entscheidung des Supreme Courts würde allerdings auch den Fall in Maine sowie offene Fälle in anderen Bundesstaaten klären, da die Argumentation überall die gleiche ist. Der Oberste Gerichtshof könnte allerdings auch eine inhaltliche Entscheidung umgehen und Formalitäten geltend machen - oder aber eine Klärung der komplexen verfassungsrechtlichen Frage dem Kongress überlassen. Offen ist außerdem, wie schnell der Supreme Court sich positionieren wird.
Die Uhr tickt
Die oberste Wahlaufseherin in Colorado, Jena Griswold, rief den Gerichtshof bei der Plattform X (vormals Twitter) auf, den Fall so schnell wie möglich zu prüfen.
Auch Trump-Unterstützer forderten eine rasche Entscheidung. »Der Oberste Gerichtshof sollte sich sofort mit diesem Fall befassen und die lächerliche Entscheidung des Gerichts in Colorado aufheben«, schrieb etwa der republikanische Senator von Missouri, Josh Hawley, bei X.
Die Zeit drängt. Am 15. Januar beginnen die Vorwahlen der Republikaner mit der ersten Abstimmung im Bundesstaat Iowa. Die Vorwahlen in Colorado und Maine stehen am 5. März an, dem sogenannten Super Tuesday, wenn in einer ganzen Reihe von Bundesstaaten abgestimmt wird. Die Wahlzettel werden mit einigem Vorlauf gedruckt.
Für die Demokraten will Biden für eine zweite Amtszeit ins Rennen gehen. Er hat dabei keine ernstzunehmende interne Konkurrenz. Bei den Republikanern liegt Trump im Feld der parteiinternen Präsidentschaftsbewerber in Umfragen mit großem Abstand vorne.
Neben der juristischen Auseinandersetzung über seine Teilnahme an den Vorwahlen stehen Trump in den kommenden Monaten auch mehrere große Gerichtsverfahren wegen diverser strafrechtlicher Vorwürfe bevor - unter anderem wegen des Kapitol-Sturms und seiner Versuche, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 nachträglich umzukehren.
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