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Wahlkampfendspurt: Erdogan will Ergebnis akzeptieren

Präsident Erdogan will auch eine Niederlage anerkennen - und attackiert Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu scharf. Es zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf Rennen ab.

Türkei
Seit 2014 türkischer Präsident und hat seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 so viel Macht wie nie zuvor: Recep Tayyip Erdogan. Foto: Markus Schreiber
Seit 2014 türkischer Präsident und hat seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 so viel Macht wie nie zuvor: Recep Tayyip Erdogan.
Foto: Markus Schreiber

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seinen Herausforderer einen Tag vor der Wahl erneut scharf attackiert. Kemal Kilicdaroglu nehme Befehle von »Terroristen« entgegen, sagte Erdogan bei einem Wahlkampfauftritt in Istanbul. »Wir erhalten unsere Befehle von Gott und unserer Nation. Das ist der Unterschied zwischen uns.«

Eine Niederlage bei der Parlaments- und Präsidentenwahl wolle er akzeptieren, machte er am Abend zuvor deutlich. Bei der richtungsweisenden Wahl zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Erdogan und Oppositionsführer Kilicdaroglu ab.

»In der Türkei kommen wir mit demokratischen Mitteln an die Macht«, sagte Erdogan am Vorabend in Istanbul. Wenn sich die Nation am Sonntag gegen ihn entscheide, werde er tun, »was die Demokratie erfordert«. Er gehe jedoch davon aus, dass er für eine weitere Amtszeit gewählt werde und mit dem Bündnis um seine islamisch-konservative AKP eine Mehrheit im Parlament erlange.

Befürchtungen vor der Wahl

Beobachter befürchten, dass Erdogan, der mittlerweile so viel Macht wie nie zuvor hat, bei einem knappen Wahlausgang versuchen könnte, das Ergebnis anzufechten. Einige begründen die Sorge auch damit, dass seine Partei 2019 das Resultat der Istanbuler Bürgermeister-Wahl nach einem Sieg der Opposition annullieren ließ.

Erdogan wurde 2003 Ministerpräsident und ist seit 2014 Präsident. Er kann seit der Einführung eines Präsidialsystems vor fünf Jahren weitgehend am Parlament vorbei regieren. Kritiker befürchten, dass das Land mit rund 85 Millionen Einwohnern vollends in die Autokratie abgleiten könnte, sollte Erdogan erneut gewinnen.

Kemal Kilicdaroglu fordert den Amtsinhaber bei der Wahl heraus. Er ist Chef der sozialdemokratischen CHP und tritt für ein breites Bündnis aus sechs Parteien an und will zum parlamentarischen System zurückkehren.

Erdogan warnt vor Kilicdaroglu

Erdogan warnte, ein Sieg Kilicdaroglus werde islamischen und familiären Werte in der Türkei sowie die Beziehungen zu Russland gefährden. Er beschuldigte westliche Politiker, darunter US-Präsident Joe Biden, seine Abwahl zu wollen.

Oppositionsführer Kilicdaroglu appellierte unterdessen an seine Unterstützer, die Wahlurnen nicht aus den Augen zu lassen. »Ihr gebt niemals auf und verlasst euren Posten nicht«, sagte er in einem auf Twitter verbreiteten Video. Es habe Drohungen gegen Wahlhelfer gegeben, sagte er, ohne ins Detail zu gehen. Der Wahlkampf hatte sich zuletzt zugespitzt. Ein beliebter Oppositionspolitiker war vergangenen Sonntag mit Steinen beworfen worden, mehrere Menschen wurden verletzt.

Am letzten Tag vor der Wahl stellten die beiden Gegner ihre unterschiedliche Vision für die Türkei symbolisch zur Schau: Erdogan plant, seinen Wahlkampf mit einem Gebet in der berühmten Hagia Sophia in Istanbul abzuschließen. Er hatte das Monument trotz Protest 2020 von einem Museum in eine Moschee umwandeln lassen. Kilicdaroglu dagegen beendete seinen Wahlkampf mit einem Besuch am Mausoleum des Gründers der säkularen Republik, Mustafa Kemal Atatürk, in Ankara.

© dpa-infocom, dpa:230513-99-674060/3