Jetzt soll alles ganz schnell gehen. Im Oktober war das Bündnis Sahra Wagenknecht nicht mehr als eine Ankündigung. Nach der Gründung Anfang Januar folgt nächsten Samstag (27.1.) der erste Bundesparteitag der neuen Partei. Und schon kurz darauf sollen die ersten Landesverbände startklar sein. Vor allem in Ostdeutschland drängt die Zeit. Denn bei den wichtigen Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg dieses Jahr will das BSW entscheidend mitmischen.
Dabei halten der früheren Linken-Politikerin auch einige die Daumen, die mit ihrer Mischung aus linker Sozialpolitik, Migrationsbegrenzung und Breitseiten gegen den linksliberalen Zeitgeist eigentlich nicht viel anfangen können. Die verbreitete Hoffnung: Das BSW soll die rechte AfD in den ostdeutschen Ländern klein halten, indem es Protestwähler aufsammelt. Ob das aufgeht, ist schwer abzuschätzen.
»Alle Umfragen zeigen, dass wir ein großes Potenzial haben«, sagt Wagenknecht in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. »Wie viele davon uns am Ende tatsächlich wählen, kann man derzeit nicht sicher sagen.« Die Umfragen sind vorerst sprunghaft. Bundesweit wurden für das BSW schon Werte um die 12 Prozent gemessen. Jüngst waren es mal 3 Prozent, mal 7 Prozent, je nach Fragemethode.
Linke und konservative Wähler
Der Potsdamer Politikforscher Jan Philipp Thomeczek bestätigt jedoch das Potenzial. »Wenn die Partei irgendwo möglichst schnell einziehen wird in Parlamente, dann in Ostdeutschland in den drei Ländern, in denen in diesem Jahr gewählt wird«, sagt Thomeczek im dpa-Gespräch. Der Wissenschaftler hat den sogenannten BSW-O-Mat erstellt. Damit kann man online prüfen, ob man mit dem BSW-Programm übereinstimmt.
Punkten kann die Partei demnach bei linken wie konservativen Wählerinnen und Wählern: »Das BSW ist für Leute interessant, die aktuell sagen, bei der AfD gefällt mir die Migrationskritik, aber vielleicht bin ich auf der wirtschafts- und sozialpolitischen Ebene nicht damit einverstanden, was die AfD sagt und wünsche mir eher ein linkeres Programm«, sagt der Potsdamer Forscher.
In Ostdeutschland hohe Erwartungen
In Ostdeutschland zieht diese Mischung, obwohl Wagenknecht in der Parteiführung die einzige mit ostdeutscher Herkunft ist. Von einem ostdeutschen Ehepaar kam kürzlich eine Spende von einer Million Euro, wie das BSW bestätigte. Wagenknecht selbst verweist auf die besonderen sozialen Probleme im Osten. »Es gibt noch mehr Menschen, die zum Mindestlohn arbeiten müssen, viele Ältere mit geringen Renten«, sagt die gebürtige Thüringerin.
Dann spricht die 54-Jährige, die inzwischen mit ihrem Mann Oskar Lafontaine im Saarland lebt, vom Gefühl der Menschen auf dem Land, vergessen zu sein, von der Angst vor dem sozialen Abstieg und dem Verlust von Industrien. »Sie haben das schon mal erlebt. Und die Ostdeutschen sind auch besonders sensibel, wenn sie eine übergriffige Politik erleben, die sie belehren und erziehen will.«
Viele Menschen wählten die AfD nicht wegen ihrer Ideologie, sondern aus Wut und Enttäuschung über die Politik aus Berlin, meint Wagenknecht. »Natürlich wünsche ich mir, dass wir viele dieser Menschen überzeugen können, auch bisherige Nichtwähler«, sagt sie. Eine Koalition mit der AfD hat sie ausgeschlossen. Mitregieren will das BSW aber schon. »Jetzt wird es darauf ankommen, dass wir vor Ort überzeugende Angebote machen«, sagt Wagenknecht.
Prominente Überläuferin in Thüringen
Wichtige Köpfe der neuen Partei sind frühere Linken-Mitglieder, so auch in Thüringen, wo das BSW ausgerechnet dem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow Konkurrenz macht. Dort hat Wagenknecht die Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf gewonnen, die wohl für den Landtag kandidieren wird. Als Hauptmotivation für ihren Wechsel gab die 47-Jährige an, sie wolle helfen, einen Erfolg der AfD mit Rechtsaußen Björn Höcke in Thüringen zu verhindern.
Der BSW-Landesverband soll bis März gegründet, die Kandidatenliste im April aufgestellt werden. Zu den ersten 20 Thüringer BSW-Mitgliedern gehören neben Wolf auch der Eisenacher Medienunternehmer Steffen Schütz, Matthias Herzog vom Erfurter Profi-Basketballclub sowie die frühere Linke-Bundestagsabgeordnete Sigrid Hupach.
Politisches Potenzial gibt es auch hier. In einer Insa-Umfrage im Auftrag der Funke-Medien kam das Bündnis Sahra Wagenknecht auf 17 Prozent. Die CDU erreichte 20 Prozent, die regierende Linke nur noch 15 Prozent. Nummer eins ist mit 31 Prozent die AfD, ungeachtet der Einstufung des Landesverbands als »gesichert rechtsextrem«.
»Es gibt eine Aufbruchstimmung«
Vorn liegt die AfD auch in Sachsen - zuletzt in einer Forsa-Umfrage bei 34 Prozent vor der CDU mit 30 Prozent, der SPD mit 7 und den Grünen mit 8 Prozent. Die Zustimmung für das BSW wurde noch nicht gemessen.
Doch spürt die Partei auch im Freistaat Rückenwind, wie Sabine Zimmermann sagt, früher Linken-Bundestagsabgeordnete und nun zuständig für den Aufbau des BSW in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. »Es gibt eine Aufbruchstimmung«, sagt Zimmermann. »Viele Menschen legen eine Hoffnung in uns, dass wir etwas verändern können. Wir können aber nur etwas verändern, wenn wir stark werden.«
Das BSW sei keine »Linke 2.0«, doch seien viele frühere Linke mit Erfahrung in Kommunalparlamenten dabei. Man sei »linkskonservativ« und betrachte die Linken nicht als politischen Gegner, sagt Zimmermann. »Meine persönliche Hoffnung und auch unsere historische Verantwortung sehe ich darin, den Höhenflug der AfD zu brechen.«
Mit dem Aufbau der Partei in Sachsen zeigt sich Zimmermann zufrieden. »Wir sind aber total unter Zeitdruck.« Für einen Start bei der Kommunalwahl im Juni müsse der Landesverband bis Mitte März stehen.
14 Mitglieder in Brandenburg
Derselbe Zeitdruck herrscht in Brandenburg, wo ebenfalls Kommunalwahlen am 9. Juni und die Landtagswahl am 22. September anstehen. Dort war es um das BSW bisher vielleicht am ruhigsten. Nun meldete sich der BSW-Landesbeauftragte Stefan Roth zu Wort. »Nach dem Bundesparteitag werden wir mit einem ersten Team von vorerst 14 Parteimitgliedern in Brandenburg starten, darunter erfahrene Kommunalpolitiker, Initiatoren von Protesten ebenso wie bisher Parteilose aus der Mitte der Gesellschaft - Lehrer, Polizisten, Unternehmer«, erklärte Roth der dpa.
14 Mitglieder, das ist nicht eben viel, wenn es um Hunderte Mandate in Städten und Gemeinden und im Landtag geht. Die Partei werde stetig wachsen, erwartet Roth. »Viele Menschen wissen nicht mehr, was sie noch wählen sollen. Wir wollen deshalb auch in Brandenburg die klaffende politische Lücke im Parteiensystem schließen und den Wählern eine Alternative zu Ampel, CDU und AfD bieten.«
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