Auf dem Weg zur eigenen Partei hat die frühere Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht nach eigenen Worten inzwischen Hunderttausende Euro Spenden eingesammelt. Man liege »deutlich jenseits der 100.000 noch nicht ganz bei einer Million«, sagte sie in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Dass russisches Geld an die geplante Partei fließt, schloss Wagenknecht aus. Das werde akribisch überprüft.
Wagenknecht war im Oktober aus der Linken ausgetreten und will im Januar ihre eigene Partei gründen. Kritiker werfen ihr eine Nähe zur Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, zuletzt CDU-Vizechef Andreas Jung. Das weist Wagenknecht strikt zurück. In der Vergangenheit war über russische Finanzhilfen an europäische Oppositionsparteien berichtet worden, etwa für den französischen Rassemblement National. Zuletzt war bekannt geworden, dass ein deutscher Journalist hohe russische Honorare einstrich.
Wagenknecht sagte auf Nachfrage, ihr selbst sei nie Geld aus Russland angeboten worden. »Ich würde mich weder von einem amerikanischen Unternehmen noch von einem russischen, noch von einem saudi-arabischen oder wem auch immer kaufen lassen«, sagte sie. »Dafür mache ich nicht Politik und das habe ich auch nicht nötig.«
Hoffnung auf starkes Ergebnis bei Europawahl
Mit der neuen Partei hofft Wagenknecht bei der Europawahl im Juni auf ein zweistelliges Ergebnis wie derzeit in Umfragen. »Also wenn wir bei der Europawahl in etwa auf dem Level stehen, wie wir jetzt in den Umfragen gemessen werden, dann bin ich überzeugt, wird die Ampel überdenken, ob sie weiter so Politik machen kann«, sagte sie. Sie warf der Regierung erneut vor, sich über die Interessen und Probleme vieler Menschen hinwegzusetzen.
Stünde die noch nicht gegründete Partei »Bündnis Sahra Wagenknecht« im Bund zur Wahl, käme sie laut einer jüngsten Umfrage des Forschungsinstituts Insa für die »Bild am Sonntag« auf 14 Prozent. Wagenknecht will mit ihrer Partei unter anderem mit Wirtschafts- und Sozialpolitik punkten und wirbt für höhere Leistungen der Arbeitslosen- und Rentenversicherung - auch wenn dafür höhere Beiträge fällig würden.
Bürgergeld »falscher Ansatz«
Das im Januar eingeführte Bürgergeld sei hingegen »ein falscher Ansatz«, sagte Wagenknecht. »Es geht ja nicht darum, dass Bürger ein Geld bekommen, schon der Begriff ist absurd.« Vielmehr müssten vor allem ältere Menschen bei Jobverlust über die Arbeitslosenversicherung länger und besser abgesichert werden.
Bei einem jungen Menschen hingegen »kann man schon erwarten, dass der sich auch sehr aktiv um Arbeit bemüht«, sagte Wagenknecht. »Da sind wir auch wieder beim Bildungssystem. Ich finde, wir brauchen mehr Geld für die Qualifizierung junger Menschen.« Sie fügte hinzu: »Ich würde Menschen verpflichten, dass sie zum Beispiel eine angebotene Qualifizierung machen.« Werde dies abgelehnt, »da ist es dann auch angemessen, dass das entsprechend sanktioniert wird«.
Für Befragung zum Rentensystem
Bei der Rente wären Menschen nach Wagenknechts Einschätzung bereit, höhere Beiträge zu zahlen, wenn so im Alter der Lebensstandard gesichert wäre. Ihr Vorschlag: »Man kann ja die Leute fragen. Ich finde sowieso, dass wir in Deutschland mehr Elemente direkter Demokratie gut gebrauchen könnten.«
Wagenknecht wirbt für ein Rentensystem ähnlich wie in Österreich, in das auch ein größerer Teil der Bevölkerung einzahlt. Dort sind aber auch die Beitragssätze mit 22,8 Prozent deutlich höher als die 18,6 Prozent in Deutschland. Bei ähnlich hohen Sätzen flössen hier jährlich zweistellige Milliardenbeträge zusätzlich in Rentenbeiträge.
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