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Wüst schafft Platz 1 in NRW - SPD gibt nicht auf

Grenzenloser Jubel bei Wüsts CDU in NRW - sie hat die Wahl deutlich gewonnen. Die SPD kann sich noch nicht mit der Niederlage anfreunden: Parteichef Kutschaty klammert sich an einen Strohhalm.

Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen
Der bisherige NRW-Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, steht bei der Wahlparty seiner Partei auf der Bühne. Foto: Oliver Berg
Der bisherige NRW-Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, steht bei der Wahlparty seiner Partei auf der Bühne.
Foto: Oliver Berg

Unbändiger Jubel bei den Christdemokraten in Nordrhein-Westfalen - Enttäuschung bei der SPD.

Der kaum sieben Monate amtierende Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat es geschafft, bei der Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland die meisten Stimmen für die CDU einzufahren - und die SPD viel deutlicher zu distanzieren als die Umfragen zuvor vermuten ließen.

Ob die CDU es tatsächlich erstmals seit den 60er-Jahren schaffen kann, in NRW länger als eine Wahlperiode hindurch das Ruder in der Hand zu behalten, hängt vor allem davon ab, ob die SPD unter Thomas Kutschaty trotz ihres historisch schlechtesten Landtagswahlergebnisses in NRW dennoch versuchen will, selbst eine Koalition zu schmieden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warb jedenfalls dafür.

Wüst: »Wahl klar gewonnen«

Wüst will vor seinen feiernden Anhängern in der Düsseldorfer Parteizentrale hingegen keinen Zweifel aufkommen lasen: »Die CDU in Nordrhein-Westfalen hat diese Wahl klar gewonnen«, ruft er in den proppevollen Saal. Schließlich habe sie die meisten Stimmen bekommen. »Das ist der Auftrag, eine künftige Regierung zu bilden und zu führen.«

Sichtlich blass und enttäuscht steht dagegen der 53-jährige Essener Kutschaty auf der Bühne der Düsseldorfer Rheinterrasse. Halbleer ist der große Saal, doch die rund 200 Anhänger lassen ihren Spitzenkandidaten in der schweren Stunde nicht fallen. »Thomas, Thomas, Thomas« rufen sie im Stakkato und applaudieren kräftig. Denn Kutschaty, der sich aus einfachen Verhältnissen einer Eisenbahnerfamilie hoch kämpfte, hat eine Devise: nie aufgeben.

SPD-Spitze hat noch Hoffnung

Kutschaty und die SPD-Spitze klammern sich am Abend an den Rettungsanker, vielleicht doch noch ein rot-grünes Bündnis bilden zu können. »Auch, wenn die CDU vor uns liegt: Die Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen steht bereit auch für eine Landesregierung hier«, unterstreicht er. »Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken.«

Auch in der CDU-Landesgeschäftsstelle rufen die Anhänger der Partei euphorisiert nach ihrem Spitzen-Mann: »Hendrik! Hendrik!« Für die rund 400 Gäste im Hof der Landesgeschäftsstelle gibt es, angesichts der deutlich rosigeren Zahlen als erwartet, kein Halten. Bei strahlendem Sonnenschein finden die für eine Sieger-Party bestellten 600 Liter Bier, zwei Zentner Currywurst und plattenweise Mettbrötchen reißenden Absatz. Im Wahlkampf hatte Wüst - Sohn einer Fleischerin - bekannt, das er an keinem Wurststand vorbei komme.

Dass die CDU als Sieger aus der Wahl hervorgehen würde, war - ganz anders als eine Woche zuvor in Schleswig-Holstein - keineswegs gesetzt. Die erst vor kurzem enthüllte »Mallorca-Affäre« um Urlaub und Party der infolgedessen zurückgetretenen Umweltministerin während der Jahrhundertflut machte die Wahl für die CDU zur Zitterpartie.

Schwarz-Gelb hat keine Mehrheit mehr

Doch am Sonntag wiesen die Hochrechnungen für Wüst über 35 Prozent aus. Allerdings hat die seit fünf Jahren regierende schwarz-gelbe Koalition keine Mehrheit mehr. Spannendste Frage bei der CDU-Wahlparty war daher: Wagt Wüst die erste schwarz-grüne Koalition in NRW?

Spitzenkandidatin Mona Neubaur, die ein Rekord-Ergebnis eingefahren hat, das die Grünen in NRW in die Rolle der Königsmacher katapultiert hat, gibt sich am Wahlsonntag zunächst bedeckt. »Wir beraten in unseren Parteigremien und machen einem kleinen Parteitag Vorschläge«, antwortet sie sparsam auf Fragen nach ihren Koalitionspräferenzen. Jedenfalls seien die Grünen angetreten, »Politik auf der Höhe der Zeit« zu machen, die »nicht über die Köpfe der Menschen hinweg« gehe.

Der Preis für ein schwarz-grünes Bündnis dürfte hoch sein für die CDU. Immerhin gibt es viele Unterschiede zwischen beiden Parteien, unter anderem bei energie-, verkehrs- und schulpolitischen Zielen. Die grüne Basis in NRW gilt als ausgesprochen links.

Lindner: »Desaströse Niederlage«

Wüsts bisheriger Koalitionspartner, die FDP, räumt angesichts starker Verluste unumwunden eine bittere Niederlage ein. Bundesparteichef Christian Lindner spricht sogar von einer »desaströsen Niederlage«. Vize-Ministerpräsident und FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp unterstreicht: »Es ist völlig klar, dass wir hier so nicht zur Tagesordnung übergehen können.« Ob der Landesparteichef einen Rücktritt erwägt, bleibt zunächst offen.

Wie es nun weitergeht für die CDU in NRW wollte auch der populäre Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) noch nicht prognostizieren. »Das ist keine Bazarveranstaltung«, sagt er zu Koalitionsspekulationen. Wüst werde mit allen demokratischen Parteien reden. Mit der AfD, die den ersten Zahlen zufolge im Düsseldorfer Landtag bleiben wird, nicht.

Am Sonntag wollte Wüst über all die offenen Fragen aber noch nicht grübeln und demonstrierte erstmal Stärke: »Team Wüst - Ihr seid der Hammer!«

© dpa-infocom, dpa:220515-99-301234/2