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Währungskrise in der Türkei: Erdogan warnt die USA

Die türkische Lira ist im freien Fall, Präsident Erdogan sieht die Verantwortung nicht bei sich. Sein Rezept: Kämpferische Reden an die Nation und ein Gastbeitrag in der »New York Times« - in dem er dem Nato-Partner USA mit der Suche nach neuen Verbündeten droht.

Erdogan
Der türkische Präsident Erdogan hat die USA vor einer weiteren Eskalation der Währungskrise gewarnt. Foto: Pool Presidential Press Service
Der türkische Präsident Erdogan hat die USA vor einer weiteren Eskalation der Währungskrise gewarnt. Foto: Pool Presidential Press Service

Istanbul/Washington (dpa) - Nach dem Absturz der türkischen Lira hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Nato-Bündnispartner USA vor einer weiteren Eskalation der Krise gewarnt.

Sollte die US-Regierung die Souveränität der Türkei nicht respektieren, »dann könnte unsere Partnerschaft in Gefahr sein«, schrieb Erdogan in einem am Freitagabend (Ortszeit) veröffentlichten Gastbeitrag der »New York Times«. Er drohte, seine Regierung werden ansonsten damit beginnen, »nach neuen Freunden und Verbündeten« zu suchen.

Davor hatte Erdogan die Nation angesichts des dramatischen Wertverlustes der Lira zum Zusammenhalt aufgerufen. »Keine Bedrohung, Erpressung oder Operation wird die Türkei einschüchtern«, schrieb Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin auf Twitter. »Die Türkei wird auch diesen Kampf gewinnen.« Verantwortung für den dramatischen Absturz der Lira übernahm Erdogans Regierung nicht.

Erdogan sagte am Freitag im nordtürkischen Gümüshane: »Diejenigen, die glauben, dass sie die Türkei mit Wirtschaftsmanipulationen in die Knie zwingen, kennen diese Nation anscheinend gar nicht.« Wen er konkret beschuldigt, sagte er nicht. In einer Ansprache in Bayburt hatte er kurz zuvor von einem »Wirtschaftskrieg« gegen die Türkei gesprochen. Die Lira war am Freitag auf ein Rekordtief gefallen: Für einen Dollar wurden zeitweise 6,87 Lira fällig, zu Monatsbeginn mussten weniger als 5 Lira für einen Dollar ausgegeben werden.

Ein von Finanzminister Berat Albayrak vorgestelltes Maßnahmenpaket für die angeschlagene Wirtschaft überzeugte Investoren nicht. Der Minister versprach, dass die Regierung eine »unabhängige Geldpolitik« voll unterstützen werde. Die Regierung wolle das Vertrauen in die Lira stärken und werde die Inflation effektiv bekämpfen. Wie genau das geschehen soll, ging aus der Präsentation nicht hervor.

Albayrak ist der Schwiegersohn Erdogans, der im Frühjahr eine stärkere Einflussnahme der Regierung auf Zentralbank angekündigt hatte - also das Gegenteil einer unabhängigen Geldpolitik. Erdogan lehnt Zinserhöhungen ab, um die Inflation zu bekämpfen, die inzwischen die 15-Prozent-Marke überstiegen hat. Mit dieser Haltung widerspricht er diametral der gängigen Wirtschaftslehre.

Während Albayraks Rede heizte US-Präsident Donald Trump die Währungskrise in der Türkei bewusst weiter an. Er schrieb am Freitag auf Twitter: »Ich habe gerade eine Verdopplung der Zölle auf Stahl und Aluminium hinsichtlich der Türkei bewilligt.« Die Beziehungen zur Türkei seien »nicht gut«. Trump verwies ausdrücklich darauf, dass die Lira »schnell gegenüber unserem sehr starken Dollar abrutscht!«

Die Regierung in Ankara kündigte umgehend Vergeltung an. »Allen Schritten gegen die Türkei wird wie bislang die notwendige Antwort gegeben werden«, teilte das Außenministerium mit. »Die USA sollten wissen, dass sie mit solchen Sanktionen und Druck keine Ergebnisse erzielen werden.«

Das türkische Handelsministerium kritisierte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, die neuen Strafzölle seien ein Verstoß gegen Regeln der Welthandelsorganisation WTO. »Wir werden unsere Unterstützung für Eisen-, Stahl- und Aluminiumexporteure fortsetzen, indem wir deren Interessen gegen illegale Praktiken anderer Länder auf jeder internationalen Plattform verteidigen.« Das gelte besonders für die WTO. Die echten Verlierer der Sanktionen seien Produzenten, der Privatsektor und Exporteure beider Länder.

Das Handelsministerium schlug allerdings deutlich moderatere Töne als das Außenministerium an. In der Mitteilung hieß es weiter: »Die USA werden weiterhin ein wichtiger Handelspartner von uns sein.« Die Türkei habe im vergangenen Jahr Eisen, Stahl und Aluminium im Wert von 1,1 Milliarden Dollar (950 Mio Euro) in die USA exportiert - was einen Anteil von 0,7 Prozent aller Ausfuhren ausgemacht habe.

Die USA fordern die Freilassung des in der Türkei festgehaltenen US-Pastors Andrew Brunson und weiterer amerikanischer Staatsbürger. Trump hatte deswegen vergangene Woche Sanktionen gegen den türkischen Innenminister Süleyman Soylu und gegen Justizminister Abdülhamit Gül verhängt. Damit werden mögliche Vermögen der Minister in den USA eingefroren, außerdem dürfen US-Bürger keine Geschäfte mit ihnen machen. Erdogan erließ daraufhin ebenfalls Sanktionen gegen US-Minister, die aber weitgehend symbolisch sein dürften.

In dem Gastbeitrag warf Erdogan der Trump-Regierung vor, den türkischen Prediger Fethullah Gülen nicht auszuliefern. Erdogan macht Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Erdogan schrieb, der Putschversuch ähnele dem, »was das amerikanische Volk zweifellos nach Pearl Harbor und den Angriffen vom 11. September erlebt haben«. Gülen lebt im Exil im US-Bundesstaat Pennsylvania.

Vom Lira-Verfall betroffen ist vor allem der Bankensektor. Einem Medienbericht zufolge sorgt sich inzwischen auch die Europäische Zentralbank (EZB) um Bankhäuser mit starkem Engagement in der Türkei. Vor allem Großbanken wie die spanische BBVA, die französische BNP Paribas und die italienische Unicredit stünden deshalb unterer besonderer Beobachtung, berichtete die »Financial Times« unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.