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Wähler in Georgia entscheiden über Machtverhältnisse

Vor gut zwei Monaten haben die Amerikaner den Präsidenten und den Kongress gewählt. Nun geht es in Georgia bei zwei Stichwahlen für den Senat noch einmal zur Sache. Die Abstimmungen entscheiden über viel mehr als nur über die Besetzung der beiden Posten.

Vor Stichwahlen in Georgia
Joe Biden (r) steht während einer Wahlkampfveranstaltung der demokratischen Kandidaten für den US-Senat mit Jon Ossoff (l) und Raphael Warnock auf der Bühne. Foto: Carolyn Kaster/AP/dpa
Joe Biden (r) steht während einer Wahlkampfveranstaltung der demokratischen Kandidaten für den US-Senat mit Jon Ossoff (l) und Raphael Warnock auf der Bühne. Foto: Carolyn Kaster/AP/dpa

ATLANTA. Die Wähler im südlichen US-Bundesstaat Georgia entscheiden bei zwei Stichwahlen am Dienstag über die künftigen Machtverhältnisse im einflussreichen US-Senat.

Vom Ergebnis der Abstimmungen hängt ab, ob die Republikaner ihre Mehrheit im Senat verteidigen können oder ob die Demokraten neben dem Repräsentantenhaus künftig auch die andere Kongresskammer in Washington dominieren werden. Mit der Kontrolle über den Senat könnte der künftige Präsident Joe Biden praktisch durchregieren - vorausgesetzt, die Demokraten ziehen bei Gesetzesvorhaben und Ernennungen von Regierungsmitgliedern an einem Strang.

Bei der ersten Abstimmung am 3. November hatte keiner der Kandidaten für die beiden Senatssitze die nötige absolute Mehrheit erreicht. In den Stichwahlen fordern nun die Demokraten Jon Ossoff und Raphael Warnock die republikanischen Amtsinhaber David Perdue und Kelly Loeffler heraus. Um die Mehrheit im Senat zu behalten, reicht den Republikanern ein einziger Sieg. Die demokratischen Kandidaten müssten sich beide durchsetzen, damit es eine Pattsituation mit 50 zu 50 Stimmen in der Kammer gibt, die von der künftigen Vizepräsidentin Kamala Harris zu Gunsten der Demokraten aufgelöst werden kann.

Einen Tag vor den entscheidenden Stichwahlen warb der Demokrat Biden in Georgias Hauptstadt Atlanta eindringlich für Ossoff und Warnock. »Morgen kann ein neuer Tag für Atlanta, für Georgia und für Amerika sein«, sagte Biden. Mit Blick auf die beiden demokratischen Kandidaten fügte er hinzu: »Sie sind prinzipientreu, sie sind qualifiziert. Sie sind ehrenhaft, sie meinen, was sie sagen.«

Über Perdue und Loeffler sagte Biden, diese dächten, dass ihre Loyalität dem amtierenden Präsidenten Donald Trump gelte, nicht Georgia und der Verfassung der USA. Trump rief dagegen bei einem Wahlkampfauftritt in Dalton nördlich von Atlanta dazu auf, für Perdue und Loeffler zu stimmen. »Das könnte die wichtigste Stimme sein, die ihr für den Rest eures Lebens abgeben werdet«, sagte er vor Tausenden Anhängern. Ossoff und Warnock seien »Extremisten, die alles zerstören würden, was den Patrioten in Georgia am Herzen liegt«.

Trotz der bevorstehenden Vereidigung Bidens am 20. Januar will Trump weiterhin mit aller Macht an seinem Amt festhalten. »Sie werden das Weiße Haus nicht erobern, wir werden wie der Teufel kämpfen«, sagte er in Dalton. In seiner 83-minütigen Ansprache wiederholte Trump seine bekannten und unbelegten Wahlbetrugsvorwürfe.

Der Republikaner behauptete erneut, er habe die Wahl am 3. November klar gewonnen. Tatsächlich hat nach den offiziellen Ergebnissen aus den Bundesstaaten eindeutig Biden gesiegt. Trumps Lager ist mit Dutzenden Klagen gegen das Wahlergebnis gescheitert, auch vor dem Obersten Gericht der USA in Washington.

Trump rief Abgeordnete und Senatoren dazu auf, am Mittwoch Einspruch gegen die Zertifizierung der Ergebnisse der Präsidentenwahl aus einzelnen Bundesstaaten im Kongress einzulegen. Er machte deutlich, dass er dabei auch auf die Unterstützung von Vizepräsident Mike Pence baut. Pence steht dem Senat als Präsident vor und wird die gemeinsame Sitzung der beiden Kongresskammern am Mittwoch leiten. »Ich hoffe, dass unser großartiger Vizepräsident sich für uns einsetzt«, sagte Trump. »Er ist ein großartiger Kerl. Wenn er sich nicht einsetzt, werde ich ihn natürlich nicht ganz so sehr mögen.«

Eine Gruppe republikanischer Abgeordneter aus dem Repräsentantenhaus und ein Dutzend republikanische Senatoren haben angekündigt, am Mittwoch Einspruch gegen Resultate einzelner Staaten einzulegen. Damit können sie erzwingen, dass sich beide Kongresskammern zu getrennten Sitzungen zurückziehen müssen, um die Einwände zu debattieren und am Ende abzustimmen, ob sie diesen folgen oder nicht. Die Störaktion dürfte das Prozedere jedoch lediglich in die Länge ziehen und keine Folgen für den Ausgang haben. Unter den Republikanern ist das Vorhaben hoch umstritten.

Trump hatte am Samstag versucht, Bidens knappen Sieg in Georgia bei der Präsidentenwahl nachträglich zu kippen. In einem Telefonat forderte Trump den für die Wahl in Georgia zuständigen Staatssekretär Brad Raffensperger - ebenfalls ein Republikaner - unverblümt auf, das Ergebnis »nachzuberechnen«.

»Ich will nur 11.780 Stimmen finden (...), weil wir den Bundesstaat gewonnen haben«, sagte Trump laut Mitschnitt des Gesprächs mit Raffensperger, den US-Medien am Sonntag veröffentlichten. Biden liegt ausweislich zweier Neuauszählungen 11.779 Stimmen vor Trump und spottete am Montag mit Blick auf die insgesamt drei Stimmenauszählungen in Georgia: »Wir haben hier drei Mal gewonnen.« Er fügte hinzu, in den USA könnten Politiker nicht die Macht ergreifen, diese werde vom Volk verliehen.

Wahlverantwortliche in Georgia wiesen abermals Behauptungen Trumps über angeblichen Wahlbetrug zurück. Die Anschuldigungen seien »nachweislich falsch«, sagte Gabriel Sterling, einer der Zuständigen für die Wahlen in dem Bundesstaat, am Montag. »Wir haben eine Behauptung nach der anderen mit null Beweisen. Null.« Sterling, selbst ein Republikaner, appellierte eindringlich an die Wähler, bei den Stichwahlen am Dienstag ihre Stimme abzugeben - auch wenn Trump mit seinen grundlosen Vorwürfen den Glauben an das System untergrabe.

Die Wahllokale in Georgia öffnen um 07.00 Uhr (Ortszeit/13.00 Uhr MEZ) und schließen um 19.00 Uhr (Mittwoch 01.00 MEZ). Es ist unklar, wann es Ergebnisse geben wird. Das liegt auch an der Corona-Pandemie, wegen der Hunderttausende Wähler von der Briefwahl Gebrauch gemacht haben. Insgesamt haben dem »Elections Project« zufolge rund drei Millionen Wähler vor dem eigentlichen Wahltag ihre Stimmzettel per Brief oder persönlich im Wahllokal abgegeben. (dpa)