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Vorwürfe gegen Russland nach Zwangslandung in Belarus

Die Empörung auch in Deutschland über die erzwungene Landung eines Passagierflugzeugs in Belarus reißt nicht ab. Viele sehen hinter dem schweren Eingriff in den Luftverkehr die Hand Moskaus.

Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin
Alexander Lukaschenko (l) und Wladimir Putin treffen sich am Freitag in Sotschi am Schwarzen Meer. Foto: -/Pool EPA/AP/dpa
Alexander Lukaschenko (l) und Wladimir Putin treffen sich am Freitag in Sotschi am Schwarzen Meer. Foto: -/Pool EPA/AP/dpa

BERLIN. Im Fall der Zwangslandung der Ryanair-Passagiermaschine in Belarus hält Norbert Röttgen, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, eine Beteiligung Russlands nicht für ausgeschlossen.

»Es ist mindestens davon auszugehen, dass die staatliche Entführung des Flugzeuges vom Kreml abgesegnet war, wenn es nicht sogar auch operative Unterstützung seitens Russlands gegeben hat.« Ohne die umfassende Unterstützung des russischen Präsidenten Wladimir Putin wäre der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko schon lange nicht mehr an der Regierungsgewalt, sagte der CDU-Politiker der »Rheinischen Post« und dem Bonner »General-Anzeiger«.

Der Kreml hatte eine angebliche Beteiligung Russlands an der Operation vom Sonntag zurückgewiesen. Lukaschenko sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, das Flugzeug mit einem Kampfjet vom Typ MiG-29 zur Landung gebracht zu haben, um einen seiner Gegner, den politischen Aktivisten und Blogger Roman Protassewitsch, festnehmen zu lassen. Der 26-Jährige ist unter anderem wegen angeblicher Organisation von Massenunruhen in Minsk in Untersuchungshaft. Ihm drohen viele Jahre Gefängnis.

Mit Protassewitsch war auch seine Freundin Sofia Sapega festgenommen worden. Die 23 Jahre alte Russin sagte in einem von belarussischen Staatsmedien verbreiteten Video, sie habe ebenfalls als Redakteurin eines oppositionellen Telegram-Kanals gearbeitet und unter anderem Daten über belarussische Sicherheitskräfte verbreitet. Die Opposition wirft dem als »letzten Diktator Europas« kritisierten Lukaschenko vor, rachsüchtig und brutal gegen seine Gegner vorzugehen. Der 66-Jährige regiert das Land seit mehr als einem Vierteljahrhundert mit harter Hand.

Lukaschenko ließ für heute einen öffentlichen Auftritt ankündigen, bei dem er sich zu der international verurteilten Flugzeuglandung äußern dürfte. Belarus weist Vorwürfe zurück, die Maschine auf dem Weg von Athen in die litauische Stadt Vilnius »gekapert« zu haben. Vielmehr sei auf eine Bombendrohung reagiert worden, die sich am Boden als Fehlalarm herausgestellt habe. Die EU hat wegen der Operation neue Sanktionen gegen Belarus erlassen, inklusive eines Flugverbots für die Fluglinien des Landes.

Röttgen forderte weitere Sanktionen der EU gegen Belarus: »Es ist jetzt an der Zeit, mit harten Sanktionen gezielt alle Stützen des Regimes Lukaschenko zu treffen: Militär, Polizei, Verwaltung, Sicherheitsdienste und vor allem die Staatsunternehmen, von denen das Regime und seine korrupten Profiteure wirtschaftlich leben.« Gestoppt werden müsse auch ein KfW-Kredit für die Siemens-Kraftwerke in Belarus. »Nach einer derartigen Eskalation kann es keine Kredite zugunsten von Belarus durch eine staatliche Förderbank geben«, sagte Röttgen.

Auch der Chef der Konservativen im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), geht nach eigenen Worten davon aus, dass Russland für die Landung der Ryanair-Maschine in Minsk mitverantwortlich war. »Dieser Vorfall zeigt, dass wir in Moskau eine Führung haben, die das Miteinander mit Europa nicht mehr will, sondern bewusst einen Konfliktkurs steuert«, sagte der CSU-Politiker der »Augsburger Allgemeinen«. Er gehe definitiv davon aus, dass die russische Regierung unter Putin bei dem Vorfall mehr als eine Zuschauerrolle gespielt und Lukaschenko die Aktion mit Moskau abgestimmt habe. Lukaschenko und Putin treffen sich am Freitag in Sotschi am Schwarzen Meer.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, sagte dem Nachrichtenportal »Watson«, Protassewitsch und seine Lebenspartnerin müssten umgehend freigelassen werden. Auch er forderte weitere Sanktionen, etwa gegen diejenigen, die im belarussischen Sicherheitsapparat für diese Operation verantwortlich seien. Zudem müsse die EU noch mehr staatswirtschaftliche Unternehmen auf Sanktionslisten setzen und damit die wirtschaftlichen Handlungsspielräume des Machtapparats von Lukaschenko einschränken.

Bundesaußenminister Heiko Maas hatte in Berlin gesagt: »Was Lukaschenko getan hat, ist an Niedertracht kaum zu überbieten.« Es seien Leben von mehr als 100 Passagieren gefährdet worden, um einen Journalisten zu verhaften. »Das ist ein dreifacher Angriff: ein Angriff auf die Sicherheit des Luftverkehrs, die Pressefreiheit und auf die europäischen Bürgerinnen und Bürger an Bord«, sagte der SPD-Politiker. »Und es ist eine Grenzüberschreitung, die die internationale Gemeinschaft nicht durchgehen lassen kann. Jedem Diktator, der mit derlei Gedanken spielt, dem muss klargemacht werden, dass es dafür einen bitteren Preis zu zahlen gibt.« (dpa)