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Vor dem Neustart in Thüringen flammen weitere Konflikte auf

Die Thüringer CDU weigert sich mit Händen und Füßen dagegen, bei einer Ministerpräsidentenwahl für den Linken-Politiker Bodo Ramelow zu stimmen. Wie lang kann das noch so weitergehen? Die Linke besteht auf eine absolute Mehrheit.

Sitzung Landtagsfraktion Die Linke
Die Abgeordneten von »Die Linke« treffen sich zur Auswertung der Ministerpräsidentenwahl. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa
Die Abgeordneten von »Die Linke« treffen sich zur Auswertung der Ministerpräsidentenwahl. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

ERFURT. Während das politische Beben in Thüringen die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zum Abgang zwingt, ringen in Erfurt die Parteien um einen Weg aus der Regierungskrise.

Nach dem Schock der ersten Tage holen die Parteien die alten Probleme ein: Linke, SPD und Grüne wollen den Linken-Politiker Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählen, haben aber keine absolute Mehrheit im Parlament. CDU und FDP weigern sich, Ramelow mitzuwählen.

Der Konflikt zwischen dem bürgerlichen und dem Mitte-Links-Lager in Thüringen soll am 17. Februar bei einem Treffen mit der CDU angegangen werden, wie Vertreter von Linke, SPD und Grüne bekannt gaben. Es gebe auch ein Gesprächsangebot an die FDP. Es bleibt aber völlig offen, ob es zu einer Lösung kommen kann.

Ramelow bekräftige noch einmal: »Ich bin staatspolitisch bereit, die Verantwortung zu übernehmen und ich strecke die Hände aus in Richtung CDU und FDP.« Angesichts der immer lauter werdenden Forderungen vom Bund nach raschen Neuwahlen in Thüringen, warnte er aber vor monatelangem Stillstand bei einer sofort anvisierten Auflösung des Landtages. Wer jetzt mit einem geschäftsführenden Ministerpräsidenten eine Landtagswahl vorbereite und damit 70 Tage in Kauf nehme, in denen es keine Landesregierung gebe, handele staatspolitisch verantwortungslos, sagte Ramelow.

Linke, SPD und Grüne wollen in Thüringen zunächst Ramelow zum Ministerpräsidenten wählen und erst später - vielleicht - Neuwahlen vorbereiten. Doch schon beim ersten geplanten Schritt gibt es harte Konflikte. Die Thüringer CDU will Ramelow nicht aktiv mitwählen, sondern seine Wahl nur über Enthaltungen nicht verhindern. Vertreter von Linke, SPD und Grüne dagegen bestehen auf eine absolute Mehrheit für den 63-Jährigen. Erforderlich wären dafür im ersten Wahlgang 46 Stimmen. Die Linke fordert deshalb ein Bekenntnis der CDU, dass vier oder fünf ihrer Abgeordneten für Ramelow stimmen werden, um sicherzustellen, dass er nicht mit Hilfe von Stimmen der AfD ins Amt gehievt wird.

Allerdings verbietet ein CDU-Parteitagsbeschluss jede Zusammenarbeit der Christdemokraten mit den Linken und mit der AfD gleichermaßen. Thüringens CDU-Generalsekretär Raymond Walk forderte eine Debatte darüber. Der Beschluss zwänge die CDU in »eine Zwangsjacke« und in »einen Schraubstock«, sagte Walk. SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee argumentierte, dass die CDU ihren Beschluss bei der Ministerpräsidentenwahl mindestens einmal gebrochen habe. Bei dieser Wahl habe die CDU mit der AfD gemeinsame Sache gemacht.

Über den Konflikt, in dem sich die Thüringer CDU befindet, stolperte am Ende auch CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer. Sie kündigte am Montag ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur und den Parteivorsitz an. Nach Angaben aus Parteikreisen sagte sie mit Blick auf die Regierungskrise in Thüringen, es gebe »ein ungeklärtes Verhältnis von Teilen der CDU mit AfD und Linken«. Sie sei strikt gegen eine Zusammenarbeit mit AfD und Linke.

Auch über mögliche Neuwahlen gibt es einen Dissens zwischen der Bundes-CDU und dem Thüringer CDU-Landesverband, der diese unbedingt vermeiden will. Ramelow ließ durchblicken, dass ihm emotional eine Auflösung des Landtages früher lieber wäre als später. Doch eine Neuwahl zum jetzigen Zeitpunkt trage bereits »den Keim der Niederlage, nämlich der Nichtigkeit« in sich.

Hintergrund ist laut Ramelow ein Antrag der FDP-Fraktion aus der Zeit vor der Wahl Thomas Kemmerichs zum Thüringer Ministerpräsidenten, das von Linken, SPD und Grünen einst beschlossene Paritätsgesetz wieder rückgängig zu machen. Das Paritätsgesetz sieht vor, dass die Landeslisten der Parteien für eine Landtagswahl abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt werden müssen.

»Das Gesetz ist beklagt von der CDU und der AfD, der Verfassungsgerichtshof möchte dazu im Frühjahr eine Verhandlung führen«, sagte Ramelow. Wenn eine Aufhebung im Raum stehe, werde das Gericht keine Entscheidung treffen. »Das bedeutet, in dieser Phase wird keine Partei in Thüringen eine rechtssichere Voraussetzung haben, wie sie eine Landesliste aufstellt«, betonte Ramelow.

Auch ein möglicher Antrag auf Nichtigkeit der Landtagswahl würde dann bedeuten, dass es monatelang keine Landesregierung geben könne. »Und dann können wir in die gefährliche Ecke kommen, dass wir bis zum Ende des Jahres keine Haushaltsgrundlage haben und die kommunale Finanzlage in eine extreme Schieflage gerät«, sagte der 63-Jährige.

Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich war mit Hilfe von AfD- und CDU-Stimmen als neuer Thüringer Ministerpräsident gewählt worden. Drei Tage später trat Kemmerich zurück. Während seiner Zeit als Regierungschef bildete der 54-Jährige kein Kabinett. Alle bisherigen geschäftsführenden Minister aus der Zeit der rot-rot-grünen Landesregierung sind ihre Posten seit Mittwoch los. Kemmerich selbst ist seit seinem Rücktritt nur noch geschäftsführend im Amt.