EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg haben auf der größten Bohrinsel der Erde den Stellenwert norwegischer Gaslieferungen für Europas Sicherheit betont.
Begleitet von Norwegens Regierungschef Jonas Gahr Støre und in Sichtweite einer internationalen Nato-Flotte auf See besuchten die Spitzen von EU-Kommission und Nato die norwegische Gasförderplattform Troll A in der Nordsee. Unter anderem ging es für Stoltenberg und von der Leyen per Fahrstuhl tief hinunter in den Schaft der riesigen Anlage - über 300 Meter unter die Wasseroberfläche.
Energie im Krieg als Waffe
»Gasanlagen wie die Troll-Plattform sind für unsere Wirtschaft, unsere Industrie, aber auch für unsere Sicherheit von entscheidender Bedeutung«, sagte Stoltenberg. Russlands Präsident Wladimir Putin habe versucht, Energie im Krieg gegen die Ukraine als Waffe einzusetzen. Norwegisches Gas habe dabei geholfen, sicherzustellen, dass er damit scheitert.
Auch von der Leyen verwies auf die Bedeutung der norwegischen Lieferungen für die EU. Die Troll-Plattform symbolisiere, dass Norwegen seine Gasproduktion erhöht habe. »Das hat uns geholfen, Putins Erpressung zu widerstehen.« Norwegen habe seine Produktion von 78 auf 90 Milliarden Kubikmeter erhöht.
»Putin hat die von ihm entfachte Energieschlacht eindeutig verloren, und seine Erpressung hat nicht funktioniert«, sagte von der Leyen der Deutschen Presse-Agentur und anderen Medien. Im Gegenteil habe er damit erreicht, dass die EU nun viel stärker von Verbündeten wie Norwegen und den USA mit Energie versorgt werde.
Zudem habe Europa massiv in erneuerbare Energien investiert und den Energieverbrauch um 20 Prozent reduziert, sagte von der Leyen. Im vergangenen Jahr sei in Europa erstmals mehr Wind- und Solarstrom produziert worden als aus Gas. »Wenn Präsident Putin also geplant hat, uns in die Knie zu zwingen, hat er genau das Gegenteil erreicht. Wir sind heute stärker und unabhängiger, als wir es je waren.«
»Troll-Plattform vor Sabotageakten schützen«
Beide, von der Leyen und Stoltenberg, betonten, dass so wichtige Infrastrukturen wie die Troll-Plattform besonders vor Sabotageakten geschützt werden müssten. Nach den Explosionen an den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 vor gut einem halben Jahr hatten die EU und die Nato ihre Bemühungen dazu verstärkt.
So tagte am Donnerstag erstmals eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus EU- und Nato-Experten. Sie soll Bedrohungen für die Infrastruktur ermitteln und Schwachstellen ausmachen. Dabei geht es um die Energie, aber auch um Verkehr, Digitales und Weltraum. Zudem habe die Nato ihre Präsenz etwa in der Ost- und Nordsee ausgebaut, sagte Stoltenberg. Niemand könne zu jedem Zeitpunkt überall sein, um Infrastruktur zu sichern. Abschreckung sei der Schlüssel.
Eine größere Gas-Plattform hätten sich von der Leyen und Stoltenberg für ihre Reise nicht aussuchen können: Troll A liegt im nördlichen Teil der Nordsee und gilt als das größte von Menschen geschaffene Bauwerk, das jemals bewegt wurde. Mit einer Höhe von 472 Metern – 369 Meter davon bilden allein den massiven Betonsockel – ist die Plattform größer als zum Beispiel das Empire State Building oder der Eiffelturm. Sie befindet sich auf dem Troll-Gasfeld, dem Eckpfeiler der norwegischen Erdgasproduktion.
Es beinhaltet rund 40 Prozent der gesamten Gasreserven des norwegischen Festlandsockels. Täglich werden dort knapp 130 Millionen Kubikmeter Erdgas gefördert – das entspricht nach Equinor-Angaben schätzungsweise 30 Prozent des norwegischen Gasexports nach Europa. Im vergangenen Jahr deckte das Feld über 11 Prozent des Gasverbrauchs innerhalb der EU ab. Gleichzeitig ist Troll auch eines der größten Ölfelder auf dem norwegischen Kontinentalsockel. Das Öl wird auf den Schwesterplattformen Troll B und C gefördert.
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