Steigende Corona-Zahlen und hoher Krankenstand belasten den Betrieb der Intensivstationen in deutschen Kliniken. »Vor allem die hohe Zahl erkrankter Mitarbeiter macht uns deshalb gerade im Gesundheitssystem zu schaffen - zudem einige auch endlich noch ihren verdienten Urlaub antreten, um mit neuer Kraft in die Wintermonate zu starten«, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).
Auf mehr als der Hälfte der Intensivstationen (55 Prozent) läuft der Betrieb nicht mehr wie sonst üblich - die Einschränkungen sind unterschiedlich stark. »Das ist leider schon eine sehr hohe Zahl, die wir sonst nur in den kälteren Jahreszeiten und einer höheren Covid-Belastung gesehen haben«, sagte Marx. Zwar sei die Versorgung der lebensbedrohlich erkrankten Patienten und Notfallpatienten überall gesichert. »Aber in den Krankenhäusern werden schon wieder zahlreiche Operationen verschoben und Personal muss umgesetzt werden.«
Fast 2000 Intensivbetten weniger zur Verfügung
Intensivmedizinisch behandelt werden nach dem jüngsten Divi-Tagesreport 1053 Patienten mit Covid-19, 19 weniger als am Tag zuvor. Nach Angaben von Marx sind es derzeit etwa doppelt so viele wie zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr und knapp viermal so viele wie 2020. Zugleich stünden vor allem wegen Personalmangels fast 2000 Intensivbetten weniger zur Verfügung als im vergangenen Jahr.
Den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche gab das Robert Koch-Institut (RKI) in den vergangenen Tagen mit deutlich über 650 an. Die Inzidenz liefert jedoch kein vollständiges Bild der Infektionslage. Experten gehen seit einiger Zeit von einer hohen Zahl an Fällen aus, die nicht vom RKI erfasst werden. Nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik - und bei weitem nicht alle Infizierte lassen einen machen. Auch Übermittlungsprobleme oder Nachmeldungen können zu einer Verzerrung einzelner Tageswerte führen.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht die hohen Corona-Infektionszahlen auch als große Belastung für die Wirtschaft. »Coronabedingte Personalengpässe sind für viele Unternehmen eine Herausforderung - erst recht bei ohnehin schon bestehendem Fachkräftemangel«, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag).
Mit Blick auf den Herbst sagte er: »Bei Isolations- und Quarantäneregeln müssen auch die Folgen für den Ausfall von Beschäftigten und damit die Arbeitsfähigkeit in der Wirtschaft immer mitbedacht werden.« Für das Funktionieren des Alltags seien »nicht nur das Gesundheitswesen und die staatliche Infrastruktur, sondern weite Bereiche der Wirtschaft« kritisch.
Probleme für den Arbeitsmarkt
Die bei manchen Corona-Infektionen auftretenden gesundheitlichen Langzeitfolgen sind nach Einschätzung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nicht nur für die Betroffenen ein Problem, sondern auch für das Gesundheitswesen und die Gesellschaft insgesamt. »Wir haben nicht im Ansatz die Kapazität, die vielen Fälle zu versorgen«, sagte er im Interview mit »Zeit Online«. »Es gibt nicht genügend spezialisierte Ärzte, nicht genügend Behandlungsplätze, wir haben noch keine Medikamente. Hier kommt wirklich etwas auf uns zu.« Die mit Long Covid verbundenen Probleme würden allgemein unterschätzt.
Der SPD-Politiker sagte: »Das wird auch für den Arbeitsmarkt relevant sein, weil viele leider nicht mehr zu ihrer alten Leistungsfähigkeit zurückkehren werden.« Er hoffe auch deshalb auf einen Impfstoff, der auch gegen eine Ansteckung mit der Omikron-Variante helfe. »Denn dieser schützt hoffentlich nicht nur vor einem schweren Verlauf, sondern auch vor einer Infektion und damit auch vor Long Covid«, führte der Minister weiter aus. Jede Corona-Infektion berge das Risiko von Long Covid, hatte Lauterbach am Samstag bei Twitter gewarnt.
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