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Viele Apotheken geschlossen - »Protesttag« für mehr Geld

Eine Apotheke in der Nähe ist für viele Menschen wichtig. Doch das Netz schrumpft seit Jahren. Jetzt machte die Branche mit einem Aktionstag für bessere Bedingungen und höhere Vergütungen mobil.

Apotheke
Plakate mit Infos zum bundesweiten Protesttag der Apotheken hängen im Schaufenster von einer Apotheke. Foto: Sven Hoppe
Plakate mit Infos zum bundesweiten Protesttag der Apotheken hängen im Schaufenster von einer Apotheke.
Foto: Sven Hoppe

Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik sind am Mittwoch vielerorts in Deutschland Apotheken geschlossen geblieben. »Diese Bundesregierung schwächt die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln, statt sie zukunftsfest zu machen«, sagte die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda), Gabriele Regina Overwiening. Die Apothekenteams bräuchten wieder eine Perspektive mit mehr Honorar, mehr Entscheidungskompetenzen und weniger Bürokratie. Die Arzneimittelversorgung sollte während des Protesttages über 1200 Notdienstapotheken aufrechterhalten werden.

Die meisten der bundesweit knapp 18.000 Apotheken wollten sich nach Verbandsangaben an den Protest-Schließungen beteiligen. In mehreren Städten waren auch Demonstrationen und Kundgebungen geplant. Der Präsident der Bundesapothekerkammer, Thomas Benkert, sagte, man wolle der Gesellschaft zeigen, wie groß die Bedeutung der Apotheken für die Versorgung sei - und wie dramatisch es wäre, wenn noch mehr Apotheken als verlässliche Anlaufstellen vor Ort verschwinden würden.

Eigeninteresse statt Sorge um Patientenschutz?

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte die Schließungen. Lobbyisten gäben immer wieder vor, für die Patienten zu handeln, sagte Vorstand Eugen Brysch. Dabei sei letztendlich Eigeninteresse die Motivation für solche Aktionen auf Kosten der Patienten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Forderungen nach mehr Geld für Apotheken bereits eine Absage erteilt. Mangels zusätzlicher Haushaltsmittel und steigender Beiträge für die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) gebe es die Spielräume dafür im Moment leider nicht.

Der FDP-Gesundheitspolitiker Lars Lindemann sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Wenn der finanzielle Spielraum nicht viel zulässt, dann müssen wir die Rahmenbedingungen ändern.« Apotheken bräuchten weniger Bürokratie, maximale Flexibilität und Planungssicherheit. Darauf sollte sich der Minister konzentrieren und mit den Apotheken in den Austausch gehen. Ein pauschales Nein bringe keine Lösung. Klar sei: »Geschlossene Apothekentüren dürfen nicht zum Alltag werden.«

Die Forderungen: Die Branche verlangt, eine seit zehn Jahren nicht erhöhte fixe Pauschale von 8,35 Euro pro rezeptpflichtigem Medikament für Beratung auf 12 Euro anzuheben. Sie müsse dann auch regelmäßig an die Kostenentwicklung angepasst werden. Kommen solle eine zusätzliche Pauschale für jede Apotheke, um das Versorgungsangebot in der Fläche als solches abzusichern. Für den Extra-Aufwand bei nicht lieferbaren Medikamenten solle es für jeden Austausch 21 Euro als Zuschlag geben.

Milliarden Euro Mehreinnahme ohne Verbesserung für Patienten

Die Sicht der Kassen: Der GKV-Spitzenverband argumentiert, das Honorar steige unaufhörlich, weil Apotheken zusätzlich zur Pauschale für jedes Medikament drei Prozent vom Einkaufspreis erhalten. »Mit jeder Preissteigerung, mit jedem neuen, teureren Medikament steigt auch das Honorar des Apothekers«, sagte Sprecher Florian Lanz. So erhielten Apotheken fürs Abgeben eines Standard-Antibiotikums rund 7 Euro pro Packung und für ein Multiple-Sklerose-Mittel 160,71 Euro. Würde der Fixbetrag wie gefordert auf 12 Euro pro Packung erhöht, wären das Mehreinnahmen von 2,2 Milliarden Euro für die Apotheken - ohne, dass für Patientinnen und Patienten irgendetwas besser würde.

Das Netz: Die Zahl der Apotheken in Deutschland schrumpft. Ende März gab es noch 17 939 - das war der niedrigste Stand seit mehr als 40 Jahren. Seit Ende vergangenen Jahres gab es damit bundesweit 129 Apotheken weniger: 17 Neueröffnungen standen 146 Schließungen im ersten Quartal 2023 gegenüber. Erfasst werden jeweils Hauptapotheken und Filialen, von denen Apotheker bis zu drei betreiben können.

Die Lage: Die Beschäftigtenzahl in Apotheken ging nach Branchendaten im vergangenen Jahr leicht auf 159 352 zurück. An Patienten abgegeben wurden 1,4 Milliarden rezeptpflichtige und rezeptfreie Arzneimittel. Der Gesamtumsatz der Apotheken stieg auf knapp 64,9 Milliarden Euro. Der Betriebsgewinn vor Steuern einer durchschnittlichen Apotheke sank demnach auf 162 890 Euro. Für dieses Jahr erwartet der DAV allein aufgrund höherer Tariflöhne eine Mehrbelastung von 10 000 Euro pro durchschnittlicher Apotheke.

© dpa-infocom, dpa:230614-99-45257/8