BERLIN. Die Nachrichten-Website »netzpolitik.org« hat ein internes Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) veröffentlicht, in dem radikale Äußerungen führender Mitglieder der AfD analysiert werden.
In dem Dokument, das am Montag ins Netz gestellt wurde, werden außerdem Kontakte einzelner AfD-Funktionäre ins rechtsextreme Milieu aufgelistet. Die AfD forderte wegen der Veröffentlichung dienstrechtliche Konsequenzen für Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang.
Medien hatten in den vergangenen Tagen bereits einzelne Passagen aus dem Gutachten zitiert. Die AfD hatte den Verfassungsschutz vergeblich aufgefordert, ihr das als »Verschlusssache« eingestufte Gutachten zu übermitteln.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte in Berlin, es sei »bedauerlich, wenn solche Unterlagen die Öffentlichkeit erreichen«. Er könne nicht sagen, auf welchem Weg das Dokument zu den Betreibern der Website gelangt sei. Sollte es Anhaltspunkte dafür geben, dass strafrechtliche Konsequenzen erforderlich seien, dann würden diese auch eingeleitet. Das BfV wollte zu dem Vorfall nicht Stellung nehmen.
Der Verfassungsschutz hatte Mitte Januar die AfD insgesamt zum »Prüffall« erklärt. Noch genauer hinschauen will die Behörde beim rechtsnationalen »Flügel« der AfD und bei der Jungen Alternative. Beide wurden als »Verdachtsfall« eingestuft. Von einem Verdachtsfall spricht der Verfassungsschutz, wenn seiner Auffassung nach »hinreichend gewichtige Anhaltspunkte« dafür vorliegen, »dass es sich um eine extremistische Bestrebung handelt«. Grundlage der Entscheidung war das Gutachten. Es liegt inzwischen nicht nur dem Bundesamt vor, sondern auch den Landesämtern für Verfassungsschutz.
Die AfD will, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Verfassungsschutz-Chef Haldenwang für die Veröffentlichung zur Rechenschaft zieht. »Als oberster Behördenleiter muss Herr Haldenwang die Konsequenzen dafür tragen, dass offensichtlich durch Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz eine vertrauliche Verschlusssache gezielt an die Medien gegeben wurde«, erklärte AfD-Vize Georg Pazderski. »Das muss dienstrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.«
In dem Gutachten heißt es, es müsse untersucht werden, inwieweit »demokratiefeindliche Grundmuster« von den verschiedenen Organisationseinheiten der Partei geteilt und verbreitet werden. Als Beispiel wird eine Erklärung des niedersächsischen AfD-Kreisverbandes Osterholz »in teils völkischer Diktion« angeführt. Darin heißt es unter anderem: »Man legt schamlos und unverfroren die Axt an die Wurzeln von Volk und Nation - Deutschland soll um jeden Preis abgeschafft werden!«
Die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) sagte nach der Lektüre des Gutachtens: »Beim Lesen muss man sich immer wieder vergewissern, ob es um die AfD oder nicht doch um die NPD geht. Die Ähnlichkeiten bis hinein in die plumpe Nazi-Sprache sind verblüffend.«
Besonders genau betrachtet der Verfassungsschutz in seinem Gutachten Äußerungen des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland und des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke. Er stellt fest: »Anhand der dargestellten Verlautbarungen von Gauland und Höcke wird deutlich, dass ihrem Denken ein ethnisch-biologisches bzw. ethnisch-kulturelles Verständnis des Volkes zugrunde liegt.« (dpa)