WASHINGTON. Die USA und die Türkei steuern wegen des Streits um den amerikanischen Pastor Andrew Brunson auf eine schwerwiegende diplomatische Krise zu.
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump verhängte am Mittwoch Sanktionen gegen zwei türkische Minister. Das türkische Außenministerium drohte daraufhin mit Gegenmaßnahmen.
Von den Sanktionen betroffen sind der türkische Justizminister Abdulhamit Gül und Innenminister Süleyman Soylu. »Beide haben führende Rollen bei der Inhaftierung und Festnahme von Pastor Brunson gespielt«, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders. Durch die Sanktionen werden mögliche Vermögen der Minister in den USA eingefroren, außerdem dürfen US-Bürger keine Geschäfte mit ihnen machen. Das US-Finanzministerium sprach von Sanktionen wegen »schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen«.
US-Außenminister Mike Pompeo sprach von einer »angemessenen« Maßnahme. Die türkische Regierung habe sich geweigert, Brunson freizulassen, erklärte er. Auch nach zahlreichen Gesprächen habe sich nichts geändert.
Brunson war im Oktober 2016 festgenommen worden, im darauffolgenden Dezember wurde wegen Terrorvorwürfen Untersuchungshaft gegen ihn verhängt. Vergangene Woche wandelte ein Gericht die Untersuchungshaft wegen gesundheitlicher Probleme des 50-Jährigen in Hausarrest um. Die Staatsanwaltschaft fordert bis zu 35 Jahre Gefängnis für Brunson.
Die türkische Regierung verlangt von den USA, die Sanktionen zurückzunehmen. Außenminister Mevlüt Cavusoglu kündigte auf Twitter an, die Sanktionen würden nicht ohne Antwort bleiben. Konkrete Vergeltungsmaßnahmen nannte er aber nicht.
Justizminister Gül versuchte, den Eindruck zu erwecken, dass ihn die Sanktionen nicht träfen. Er habe nie irgendwo anders leben oder sterben wollen als in der Türkei, schrieb er auf Twitter. Und weder in den USA noch anderswo außerhalb der Türkei habe er Besitz.
Die US-Regierung beharrt darauf, dass Brunson unschuldig ist. »Wir sehen keine Beweise dafür, dass Pastor Brunson irgendetwas falsch gemacht hat«, sagte Sanders. Trump hatte bereits am Donnerstag vergangener Woche mit Sanktionen gedroht. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan betonte am Mittwoch erneut, sein Land werde solche Drohgebärden nicht akzeptieren. Erdogan warf den USA eine »evangelikale, zionistische Mentalität« vor.
US-Vizepräsident Mike Pence nannte Brunson »ein Opfer religiöser Verfolgung«. Hausarrest sei mangels glaubwürdiger Beweise »nicht gut genug«. Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert, sagte in Washington, Außenminister Pompeo habe am Mittwoch mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu telefoniert. Beide wollten sich in Singapur am Rande des Asean-Regionalforums am Freitag und Samstag treffen. »Wir verfolgen immer noch eine diplomatische Herangehensweise«, sagte Nauert. »Pastor Brunson muss aus dem Hausarrest gelassen und zurück nach Hause gebracht werden.«
Brunson lebt seit mehr als 20 Jahren in der Türkei. Er war Pastor einer Kirche in der Küstenmetropole Izmir, als er wenige Monate nach dem Putschversuch vom Juli 2016 in der Türkei festgenommen wurde. Hintergrund schienen zunächst Visaprobleme zu sein, nach US-Angaben sollte Brunson ausgewiesen werden. Im Dezember verhängte ein Gericht dann aber die Untersuchungshaft gegen Brunson.
Brunson werden Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und zur Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen vorgeworfen. Erdogan macht Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich und fordert von den USA dessen Auslieferung. Im vergangenen September hatte Erdogan einen möglichen Austausch Brunsons gegen Gülen angedeutet.
Im Streit um den Pastor hat die türkische Regierung immer wieder auf die Unabhängigkeit der Justiz in dem Land verwiesen. Dass die USA wegen des Falls nun Sanktionen gegen die türkische Regierung verhängen, deutet darauf hin, dass Washington die angebliche Unabhängigkeit der türkischen Justiz bezweifelt.
Sanders sagte, Trump und Erdogan hätten mehrfach über den Fall des Pastors gesprochen. Am vergangenen Dienstag drohte Trump mit »großen Sanktionen gegen die Türkei«.
Schon vor Verhängung der US-Sanktionen hatte deren Androhung die türkische Landeswährung Lira am Mittwoch auf weitere Rekordtiefstände geschickt. Der US-Dollar stieg im Verhältnis zur Lira in der Spitze bis auf den historischen Höchststand von 4,9985 Lira. Der Euro-Kurs kletterte auf einen Rekordwert bei 5,8323 Lira. Beide Währungen legten zur Lira damit um über ein Prozent zu.
Zwischen der Bundesregierung und der Regierung in Ankara war im vergangenen Jahr eine Krise um die Inhaftierung deutscher Staatsbürger eskaliert. Sollte sich das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei ähnlich entwickeln, könnte das die bereits angeschlagene türkische Wirtschaft hart treffen. (dpa)