WASHINGTON. Nach ihrem Wahlsieg im November haben die US-Demokraten am Donnerstag formell die Macht im Abgeordnetenhaus übernommen. Damit verlieren die konservativen Republikaner von US-Präsident Donald Trump erstmals nach acht Jahren ihre Vormachtstellung in der Kammer.
Die Demokratin Nancy Pelosi wurde nach der Zusammenkunft des Parlamentes als Nachfolgerin des Republikaners Paul Ryan zur Vorsitzenden gewählt - 220 der insgesamt 435 Parlamentarier votierten für sie. Sie wird damit zu einer der wichtigsten Gegenspielerinnen des Präsidenten.
Im Senat - der zweiten Kammer des US-Parlamentes - vereidigte Vizepräsident Mike Pence die 100 Senatoren. Je zwei kommen aus jedem der 50 Bundesstaaten, 35 waren im November neu bestimmt worden. Im Senat haben die Republikaner weiterhin eine Mehrheit von 53 zu 47 Sitzen.
Pelosi sprach nach der Abstimmung von einem »historischen Moment« und sagte: »Vor zwei Monaten hat das amerikanische Volk gesprochen und eine neue Morgendämmerung gefordert.« Den Republikanern bot sie Zusammenarbeit an. »Wir werden uns darum bemühen, über den Gang in dieser Kammer und die Spaltungen in unserer Nation hinweg die Hand auszustrecken.« Sie bekannte sich dazu, »dass dieser Kongress transparent, überparteilich und vereinend sein wird«.
Die 78-Jährige war parteiintern umstritten. Kritiker warfen ihr vor, an der Führungsrolle zu kleben, die sie zwischen 2007 und 2011 schon einmal ausfüllte. Ihre Person stehe nicht für einen Neuanfang der Demokraten im Washingtoner Politikbetrieb, der von vielen Amerikanern als intransparent bis korrupt beschrieben wird.
Der Wechsel im Repräsentantenhaus kommt inmitten eines teilweisen Regierungsstillstandes in den USA. Republikaner und Demokraten konnten sich mit Trump bisher nicht auf die Verlängerung eines Haushaltsgesetzes einigen. Trump will Finanzmittel für den Bau einer Grenzmauer in dem Gesetz haben - andernfalls werde er seine notwendige Unterschrift verweigern, kündigte er an.
Nach Tagen des Stillstands wird erwartet, dass beide Parteien versuchen werden, bald Kompromissvorschläge vorzulegen. Pelosi hatte noch für den Donnerstag (Ortszeit) einen neuen Vorstoß angekündigt. Sie hatte jedoch auch klargemacht, dass die Demokraten der Forderung Trumps nach einer Finanzierung einer Grenzmauer zu Mexiko nicht nachkommen würden. »Nein. Nichts für die Mauer«, hatte Pelosi in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview des Senders NBC erklärt.
Trump hatte sich geweigert, ein Haushaltsgesetz zu unterzeichnen, wenn darin nicht mehr als fünf Milliarden Dollar für die von ihm seit langem geforderte Mauer an der Grenze zu Mexiko bereitgestellt würden. Die Demokraten lehnen Trumps Forderung ab.
Im Senat, der zweiten Kammer des US-Parlaments, haben Trumps Republikaner eine vergleichsweise komfortable Mehrheit. Allerdings sind sei bei Haushaltsangelegenheiten auf die Unterstützung von Demokraten angewiesen. Wegen des »Shutdowns« sind Hunderttausende Regierungsbedienstete im Zwangsurlaub oder müssen vorerst ohne Gehalt arbeiten. Am Freitag soll es zu einem weiteren Treffen der Fraktionsspitzen mit Trump kommen.
Es wird für die kommenden Monate erwartet, dass die Demokraten von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, zahlreiche parlamentarische Untersuchungen gegen Trump einzuleiten und ihn gegebenenfalls auch vorzuladen - bis hin zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren. Dies ist mit der Mehrheit der Demokraten bei Vorliegen eines Verdachts einer schweren Verfehlung grundsätzlich möglich.
Geführt und letztlich entschieden würde ein solches Verfahren jedoch im republikanisch dominierten Senat. Um Trump tatsächlich des Amtes zu entheben, würde es also einer Absetzbewegung der Republikaner von ihrem Präsidenten bedürfen.
Pelosi vertritt die Auffassung, der Präsident könne auch im Amt unter Anklage gestellt werden. Diese Rechtsauffassung ist nicht nur zwischen den politischen Parteien, sondern auch unter Verfassungsrechtlern in den USA nicht eindeutig geklärt.
Pelosi betonte in ihrer Rede: »Lasst uns zusichern, dass wir uns gegenseitig respektieren und die Wahrheit respektieren, wenn wir verschiedener Meinung sind.« Das könnte als Seitenhieb gegen Trump verstanden werden, dessen Aussagen häufig Halb- oder Unwahrheiten enthalten und dem Kritiker respektlosen Umgang mit Gegnern vorwerfen. (dpa)