Nach sieben Verhandlungstagen hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht im Streit zwischen der AfD und dem Verfassungsschutz für den 13. Mai ein Urteil angekündigt. Der Vorsitzende Richter Gerald Buck schloss am Mittag die mündliche Verhandlung in dem Berufungsverfahren. Bereits am Montag hatte er verkündet, dass die Sache entscheidungsreif sei. Zuvor hatten sich bis zum Mittag die Anwälte von AfD und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nochmals einen Schlagabtausch um längst abgelehnte Anträge geliefert.
Dabei ging es unter anderem um Stellungnahmen zu vor rund einer Woche abgelehnten über 470 Beweisanträgen. Die AfD-Vertreter äußerten wiederholt ihr Unverständnis über die Entscheidung des Gerichts. Der 5. Senat müsse sich fragen lassen, ob der angelegte Beweismaßstab noch der richtige sei. »Was kann überhaupt geleistet werden, um die rechtsstaatlichen Grundsätze zu gewährleisten?«, fragte AfD-Anwalt Christian Conrad. Das Gericht äußerte sich zu den Vorwürfen nicht.
Roth: AfD hätte Zeit nicht genutzt
Der Anwalt des Verfassungsschutzes, Wolfgang Roth, warf der AfD vor, die letzten vier Jahre seit der ersten Klage vor dem Verwaltungsgericht in Köln nicht genutzt zu haben. »Es gab reichlich Zeit. Der Prozess beginnt nicht erst, wenn Sie ihre Anträge stellen. Das hätte alles viel früher im schriftlichen Verfahren beginnen können.« Bei den sich wiederholenden Argumenten ging es unter anderem erneut um den Unterschied zwischen dem deutschen Staatsvolk und dem ethnischen Volksbegriff. Roth verwies zum wiederholten Mal auf die vom Verfassungsschutz benannten Äußerungen von hohen Parteivertretern und Mandatsträgern mit ausländer- und islamfeindlichem Inhalt oder in denen die Demokratie verunglimpft werde.
Conrad beharrte darauf, dass das OVG diese Einzelmeinungen besser hätte prüfen müssen. Entscheidend für die Gesamtbewertung der AfD sei deren Arbeit an Anträgen oder dem Parteiprogramm. Einzeläußerungen hätten dafür keine Relevanz und würden sich nicht durchsetzen, sagte der Anwalt. Dem widersprach Roth: »Auch diese einzelnen Äußerungen entfalten ihre Wirkung. Ganz unabhängig davon, ob sie im Parteiprogramm stehen.« Außerdem finde sich im Bundestagswahlprogramm der Partei mit der Forderung nach Abschaffung des Islam-Unterrichts in den Schulen eine Religionsdiskriminierung, die nicht im Einklang mit der Verfassung stehe, sagte Roth.
Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz
In seinem Schlusswort fragte AfD-Vorstandsmitglied Roman Reusch, wie lange die Beobachtung durch den Verfassungsschutz noch andauern solle. »Wann reicht es denn?«, fragte der ehemalige Berliner Oberstaatsanwalt. Für die 45.000 AfD-Mitglieder sei das alles ehrenrührig. Solange weiterhin Anhaltspunkte bestehen, werde der Verfassungsschutz beobachten und die Öffentlichkeit auch darüber informieren, sagte dessen Anwalt. Das sei alles kein Selbstzweck, sondern diene der Gewinnung von Erkenntnissen.
In dem Berufungsverfahren klärt der 5. Senat, ob das Urteil aus der Vorinstanz am Verwaltungsgericht Köln Bestand hat. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit Sitz in Köln hatte die Partei sowie die Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Die Richter in Köln hatten diese Sicht 2022 bestätigt. Entsprechend dürfen Partei und JA seitdem mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Das OVG muss jetzt klären, ob die Einschätzung laut dem Bundesverfassungsschutzgesetz rechtens ist.
Oberverwaltungsgericht als letzte Instanz
In dem seit Jahren andauernden Konflikt zwischen der AfD und dem Bundesamt ist das Oberverwaltungsgericht mit Sitz in Münster die letzte Tatsacheninstanz. Das bedeutet: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig als mögliche nächste und letzte Instanz nimmt nur noch eine reine Rechtskontrolle vor. Die Aufklärung des Sachverhalts durch ein Gericht sowie Beweisanträge durch die AfD oder das Bundesamt sind nur bis zum OVG möglich.
AfD-Anwalt Conrad hatte am Montag in der mündlichen Verhandlung offen erklärt, dass es der Partei vor dem OVG bereits um das Bundesverwaltungsgericht gehe. »Der Senat ist erfahren genug um zu wissen, dass wir hier viel bereits für die nächste Instanz machen«, hatte der Anwalt erklärt. Die AfD hatte in Münster zahlreiche Befangenheitsanträge gegen die Richter des 5. Senats gestellt. Außerdem gab es über 470 Beweisanträge. Immer wieder wurde die mündliche Verhandlung am OVG in Münster für Beratungen unterbrochen.
Erfolg hatte die Partei damit nicht. Die Anträge wurden als substanzlos, ungeeignet und zum Teil rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen.
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