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Union gibt Weg für neue Werbeverbote fürs Rauchen frei

Rauchen schadet der Gesundheit - das bestreitet keiner. Mediziner fordern daher seit Jahren, Reklame auch auf Litfaßsäulen und Co. zu unterbinden. Die Koalition peilt das nun an - allerdings nicht auf einen Schlag.

Raucher
Foto: Jens Kalaene/zb/dpa Foto: Jens Kalaene
Foto: Jens Kalaene/zb/dpa
Foto: Jens Kalaene

Berlin (dpa) - Durchbruch nach jahrelangem Streit: Plakatwerbung fürs Rauchen soll ab 2022 schrittweise verboten werden. Das sieht ein Positionspapier vor, das die CDU/CSU-Fraktion nach Teilnehmerangaben am Dienstag beschlossen hat.

Damit zeichnet sich in der Koalition nun eine gemeinsame Linie mit der SPD ab, um besonders junge Leute auch vor Risiken neuer Angebote zu bewahren. Angepeilt werden soll demnach ein weitgehendes Außenwerbeverbot für klassische Tabakprodukte ab 1. Januar 2022. Für Tabakerhitzer soll es ab 1. Januar 2023 greifen, für E-Zigaretten dann ab 1. Januar 2024.

Mit dem Beschluss gibt die Union den Weg für Reklame-Beschränkungen frei, die Ärzte und die SPD seit langem fordern. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen wurde das Papier mit deutlicher Mehrheit bei 46 Gegenstimmen angenommen. Fraktionsvize Gitta Connemann (CDU) sagte der dpa, es gehe darum, Werbung für Tabakprodukte und E-Zigaretten eng zu begrenzen - für die Sicherheit und Gesundheit junger Menschen. »Wir brauchen klare Kante, wenn es um Jugendliche geht.« Die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) sprach von einem »guten Entschluss ganz im Sinne des Jugend- und Gesundheitsschutzes«.

Konkret sollen neue Werbe-Beschränkungen gestaffelt kommen. Bereits ab 1. Januar 2021 tabu sein soll den Plänen zufolge Kinowerbung für Tabak bei Filmen, die frei für Jugendliche unter 18 sind. Schluss sein soll dann auch mit dem Verteilen von Gratis-Proben außerhalb von Fachgeschäften und Tabakprodukten als Gewinne bei Preisausschreiben. Um die Freiheit der Berufsausübung zu sichern, sollen aber einige Optionen möglich bleiben, darunter Außenwerbung an Geschäftsräumen des Fachhandels. Auch »Einheitsverpackungen« sollen nicht kommen, Zigarettenboxen sollen weiter markenspezifisch zu gestalten sein.

Die SPD begrüßte die Bewegung beim Koalitionspartner. »Ich bin froh, dass nach jahrelanger Blockade bei der Union jetzt offenbar klare Bereitschaft besteht, endlich einem umfassenden Verbot der Tabakaußenwerbung zuzustimmen«, sagte Fraktionsvize Matthias Miersch der dpa. Darüber verhandeln Union und SPD schon seit einigen Monaten. »Was jetzt noch schnell kommen muss, ist das entsprechende Gesetz«, sagte die Drogenbeauftragte Ludwig. Nach dpa-Informationen soll die SPD voraussichtlich in der nächsten Woche ebenfalls dazu abzustimmen.

Der neue Anlauf zu Werbeverboten wurde möglich, nachdem die Union generellen Widerstand dagegen aufgegeben hatte. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für ein Verbot ausgesprochen und »eine Haltung« dazu bis Jahresende in Aussicht gestellt. In der vorigen Wahlperiode war ein Anlauf an der Union gescheitert. Das Kabinett stimmte 2016 einem Entwurf des Ernährungsministeriums zu. Das Gesetz wurde im Bundestag aber nie beschlossen. Verboten ist Tabakwerbung etwa schon in Radio und Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften.

Vor der Fraktions-Abstimmung hatten sich die zuständige Ministerin Julia Klöckner und ihr Gesundheitskollege Jens Spahn (beide CDU) erneut für weitere Beschränkungen stark gemacht. Klöckner sagte der dpa: »Egal ob Filter- oder E-Zigarette: Jedenfalls nikotinhaltige Produkte sollten nicht beworben werden dürfen. Weder im Kino noch auf Plakaten.« Spahn verwies darauf, dass hierzulande jedes Jahr mehr als 120.000 Menschen an Folgen des Rauchens sterben. »Deswegen sollten wir vor Tabak warnen und nicht dafür werben.« Jeder junge Mensch, der vor einer »Raucherkarriere« bewahrt werden könne, sei ein umfassendes Tabakwerbeverbot wert. In der Fraktion gab es laut Teilnehmern mehr als 15 Wortmeldungen, die meisten befürworteten Werbe-Beschränkungen.

In den Blick nehmen wollen Union und SPD auch Gesundheitsrisiken bei E-Zigaretten. »Wir werden sicherstellen, dass die Inhaltsstoffe der E-Zigaretten besser erforscht, kontinuierlich kontrolliert und wo notwendig, klar verboten werden«, sagte SPD-Politiker Miersch. Die Union macht sich dafür stark, Inhaltsstoffe nikotinfreier Liquids ausdrücklich zu regeln, wie bisher schon bei nikotinhaltigen.

Druck für umfassende Werbeverbote machen unter anderem Mediziner. Ärztepräsident Klaus Reinhardt hatte es auch für E-Zigaretten angemahnt. »Da kann man der Industrie nicht entgegenkommen. Rauchen ist schädlich, Punkt.« Deutschland ist bereits vor Jahren einer Konvention der Weltgesundheitsorganisation WHO beigetreten, die weitere Werbeverbote vorsieht.

Die Tabakbranche warnt dagegen vor einem »unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff« in die Freiheit zu werben. Maßgebend für den Rauchbeginn besonders von Minderjährigen sei das Rauchverhalten bei Freunden und in der Familie - nicht Werbung. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta kritisierte eine »bevormundende Symbolpolitik mit falschen Nebenwirkungen«. Die Zahl minderjähriger Raucher sei zurückgegangen. Ein komplettes Werbeverbot erschwere zudem »risikoärmeren Innovationen« den Zugang zum Markt.