Die Union sieht als wichtigstes Thema bei den geplanten Gesprächen zu Migration den besseren Schutz der Außengrenzen. »Mit Abschiebungen werden wir die anhaltende Migrationskrise niemals lösen. Wir müssen endlich am Beginn des Prozesses ansetzen und das heißt: Zurückweisungen an der Außengrenze. Darauf werden wir beim Asyl-Gespräch drängen«, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), der »Bild«. Zugleich bezweifelte er in der »Rheinischen Post« die Wirkung der von der rot-grün-gelben Bundesregierung angepeilten Leistungsstreichungen für sogenannte Dublin-Flüchtlinge.
Nach dem mutmaßlich islamistischen Messeranschlag von Solingen mit drei Toten hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Gespräche mit den Ländern und der Union als größter Oppositionskraft über die möglichen Konsequenzen angekündigt. Das erste Treffen soll nächste Woche sein. Die Bundesregierung legte zudem ein Maßnahmenpaket vor, das unter anderem Leistungskürzungen für Geflüchtete vorsieht, für die ein anderes EU-Land zuständig ist. Am Freitag schob Deutschland erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren wieder Afghanen in ihr Herkunftsland ab. Der Abschiebeflug startete zwar wenige Tage nach dem Attentat, hat aber einen deutlich längeren Vorlauf, wie es aus Behördenkreisen hieß.
Rhein: Maßnahmenpaket ist »Herumdoktern an den Symptomen«
Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU), sagte der Mediengruppe Bayern zu dem von der Ampel-Regierung vorgestellten Paket: »Das ist alles nicht falsch, aber doch nicht mehr als ein Herumdoktern an den Symptomen.« Die Ampel drücke sich weiterhin um aktives Handeln und um die entscheidende Frage: »Wie sorgen wir ganz konkret dafür, dass weniger Menschen ins Land kommen?«
Bayerns Innenministers Joachim Herrmann (CSU) kritisierte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), die Ausweitung von Ausweisungsinteressen und der verschärfte Ausschluss von Straftätern von einem Schutzstatus seien im Migrationspaket die einzig bereits wirklich gehaltvollen Vorschläge. »Der Rest bleibt leider jedoch noch sehr im Ungefähren oder bringen fast nichts wie im Falle des Vorschlags, Dublin-Fällen ab Zustimmung des Mitgliedstaats, in dem der Asylbewerber in die EU einreiste, keine Leistungen mehr zu gewähren.«
Frei: Kaum Wirkung der Kürzungen für Dublin-Flüchtlinge
Mit Blick auf die geplanten Kürzungen für Schutzsuchende, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden, sagte Frei der »Rheinischen Post«: »Diese Kürzungen betreffen weit weniger Fälle, als mitunter zu lesen ist.« Betroffen seien nur Fälle, »in denen das Übernahmeersuchen positiv beschieden wurde und eine soziale Absicherung im Zielstaat besteht. Das reduziert den Anwendungsbereich deutlich.«
Frei meint damit, dass die betroffenen anderen EU-Länder einer Rücküberstellung aus Deutschland zustimmen müssen, damit die Flüchtlinge in der Zwischenzeit in Deutschland keine Leistungen mehr über das absolut notwendige Maß hinaus beziehen können. Diese Zustimmung werde aber bei weitem nicht immer erteilt. »Und was nun in Zukunft geschehen wird, liegt auf der Hand: Unsere Nachbarländer werden die Zustimmung noch häufiger versagen als ohnehin schon oder gar noch weniger registrieren«, prognostizierte Frei.
Der mutmaßliche Täter des Attentats von Solingen war Berichten zufolge als Flüchtling über Bulgarien nach Deutschland gekommen. Bulgarien habe einer Rückführung zugestimmt, allerdings kam sie anscheinend aus anderen Gründen nicht zustande.
Grüne: Union streut Menschen Sand in die Augen
Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warf der Union unterdessen vor, dass sie teils Vorschläge mache, die faktisch nicht umsetzbar seien. »Wer den Menschen beispielsweise suggeriert, man könne derzeit im großen Stil nach Syrien oder Afghanistan abschieben oder geltendes internationales Recht einfach aussetzen, streut ihnen Sand in die Augen und argumentiert in höchstem Maße unredlich«, sagte er der »Rheinischen Post«.
Deutschland hatte am Freitag erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren wieder Afghanen in ihr Herkunftsland abgeschoben. Nach Angaben von Innenministerin Nancy Faeser handelte es sich um 28 Straftäter. Alle Betroffenen sind Männer, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Unter den Abgeschobenen sind nach Angaben der beteiligten Länder Sexualstraftäter und gewaltbereite Kriminelle.
Bundeskanzler Scholz bezeichnete den Abschiebeflug als Zeichen an alle Straftäter. »Es ist ein klares Zeichen: Wer Straftaten begeht, kann nicht darauf rechnen, dass wir ihn nicht abgeschoben kriegen, sondern wir werden versuchen, das zu tun, wie man in diesem Fall sieht«, sagte er bei einem Wahlkampftermin in der Nähe von Leipzig.
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