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UN nach Aus von Getreideabkommen: Viele könnten sterben

Seit Wochenbeginn kommt kein ukrainisches Getreide mehr über das Schwarze Meer; Russland hat das Export-Abkommen beendet. Die UN warnen vor verheerenden Auswirkungen - und Moskau stellt Forderungen.

Frau im Südsudan
Eine Frau sammelt im südsudanesischen Kandak Hirse vom Boden auf, die in Säcken vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen über der Stadt abgeworfen wurden. Foto: Sam Mednick/DPA
Eine Frau sammelt im südsudanesischen Kandak Hirse vom Boden auf, die in Säcken vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen über der Stadt abgeworfen wurden.
Foto: Sam Mednick/DPA

Nach Russlands Aufkündigung des Abkommens zum Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer haben die Vereinten Nationen vor der Verschärfung weltweiter Hungersnöte gewarnt.

Für die 362 Millionen Menschen in 69 Ländern, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen seien, sei die Entscheidung »eine Bedrohung für ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder und ihrer Familien«, sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York. »Sie sind nicht traurig, sie sind wütend. Sie haben Angst, sie sind besorgt. Einige werden hungern, andere werden verhungern. Viele könnten an den Folgen dieser Entscheidungen sterben.«

Viele Millionen Tonnen Nahrungsmittel

Moskau hatte am Montag das Abkommen zum Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer trotz aller internationaler Appelle für beendet erklärt. Im Anschluss kündigte Moskau an, Schiffe, die ukrainische Häfen ansteuern, künftig als mögliche militärische Ziele zu betrachten. In den vergangenen Nächten hatte Russland den Hafen von Odessa, von wo aus in den vergangenen Monaten viele Millionen Tonnen Nahrungsmittel exportiert wurden sowie andere ukrainische Städte am Schwarzen Meer angegriffen. Moskau führt seit 17 Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, warnte Russland vor dem Sicherheitsrat vor einer Eskalation der Situation im Schwarzen Meer: »Jegliche Gefahr eines Übergreifens eines Konflikts infolge eines militärischen Zwischenfalls im Schwarzen Meer, sei es vorsätzlich oder unabsichtlich, muss unter allen Umständen vermieden werden, da dies möglicherweise katastrophale Folgen für uns alle haben könnte.«

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach am Freitagabend mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan über eine mögliche Rückkehr zu dem Abkommen. »Die Öffnung des Getreidekorridors hat absolute Priorität«, teilte Selenskyj nach einem Telefonat mit Erdogan in Kiew mit. »Zusammen müssen wir eine globale Ernährungskrise verhindern.«

Russland sieht UN am Zuge

Der russische Vizeaußenminister Sergej Werschinin sieht unterdessen die Vereinten Nationen am Zuge für ein mögliches neues Abkommen. »Der Ball liegt - wie jetzt manchmal gesagt wird – auf der Seite unserer Partner, mit denen wir gearbeitet haben. Wir warten jetzt auf eine Reaktion von ihnen«, sagte Werschinin in Moskau vor Journalisten.

Der Vizeminister betonte, dass im Zuge des Getreideabkommens vor einem Jahr mit den Vereinten Nationen auch ein Memorandum mit einer Gültigkeit von drei Jahren unterzeichnet worden sei, das Russlands Bedingungen für den Deal beinhalte. Russland verlangt vom Westen etwa eine Lockerung von Sanktionen, um eigenes Getreide und Dünger leichter auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Moskau beklagt, dass im Zuge der EU-Sanktionen etwa der Ausschluss russischer Banken vom Finanzverkehrssystem Swift Geschäfte behindere. Auch Versicherungen könnten nicht abgeschlossen werden für die Frachter.

Zwar betont die EU, dass russisches Getreide und Dünger von den Sanktionen ausgenommen und auch viele Banken weiter an Swift angeschlossen seien. Allerdings entgegnete Werschinin, dass der »Geist der Sanktionen« ausstrahle und viele Partner auch legale Geschäfte mit Russland scheuten. Deshalb will Russland grundsätzlich Lockerungen erreichen. Zugleich machte er deutlich, dass Russland Wege finden werde, sein in Entwicklungsländern gefragtes Getreide und den Dünger auf den Weltmarkt zu bringen.

© dpa-infocom, dpa:230721-99-488214/5