Grau-weiße Tunnel, der Kies auf dem Boden wirbelt bei jedem Schritt Staub auf, die Luftfeuchtigkeit steigt. »Zutritt für Unbefugte verboten«, warnen Schilder im maroden Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel in Niedersachsen.
Doch Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will sich, fast drei Wochen nach dem deutschen Atomausstieg, selbst ein Bild von der Lage machen. »Was man hier sehen kann, spüren kann und fühlen kann, ist, dass es eine riesengroße Herausforderung ist«, sagt die Grünen-Politikerin bei einem Besuch im Schacht Asse II. Der Atommüll im ehemaligen Bergwerk Asse sei unter Bedingungen untergebracht, die »absolut inakzeptabel« seien.
Salzhaltiges Wasser dringt ein
In dem ehemaligen Bergwerk liegen rund 47.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle, doch das Bergwerk ist nicht stabil. Durch Risse dringt immer wieder salzhaltiges Wasser ein. »Wir wissen nicht, wo die Risse sind - wir wissen nicht, wie sie sich bewegen«, berichtet Thomas Lautsch, Geschäftsführer der Endlagergesellschaft BGE, der Ministerin an der Auffangstelle. Würde nichts unternommen, könnte das Wasser an die radioaktiven Abfälle gelangen und radioaktive Stoffe auf diese Weise wieder die Tagesoberfläche erreichen.
Um das zu verhindern, werden in dem Bergwerk aktuell täglich rund 12,5 Kubikmeter Grundwasser aufgefangen. Doch das kann keine dauerhafte Lösung sein. Daher hat der Deutsche Bundestag beschlossen, den radioaktiven Abfall aus der Asse möglichst schnell zu bergen. Eine Rückholung der Abfälle ist in Planung und soll ab circa 2033 beginnen. Nach Abschluss dieser Arbeiten erfolgt die Stilllegung.
Suche nach einem Zwischenlager
»Wir werden mit dieser Situation umgehen müssen«, sagt die Ministerin. »Ich habe kein alternatives Zwischenlager in der Tasche.« Aber man müsse dafür Sorge tragen, dass dieser Atommüll so verantwortlich wie nur irgend möglich wieder herausgeholt und gelagert werde - solange bis er in ein Endlager könne.
Die Suche nach einem Endlager für radioaktiven Müll wird mit Sicherheit eine schwierige Aufgabe bleiben. An Standorten, die in eine engere Auswahl kommen, werden immer wieder Proteste laut - auch in der niedersächsischen Asse, wegen Plänen für ein Zwischenlager in unmittelbarer Nähe. Der Standort ist aus Sicht der Betreibergesellschaft geeignet und vor allem auch genehmigungsfähig.
Bürgerinitiativen sehen das anders und protestieren auch bei dem Besuch von Ministerin Lemke. Denn wer möchte schon Tür an Tür neben einer radioaktiven Müllhalde wohnen? Auch wenn das ja schon vielerorts Realität ist: Insgesamt befinden sich derzeit mehr als 120.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Zwischenlagern in ganz Deutschland.
Man unterscheidet zwischen hoch-, mittel- und schwachradioaktiven Abfällen. Bei mittel- und schwachradioaktivem Müll handelt es sich beispielsweise um Teile von Anlagen, die kontaminiert wurden, Schutzkleidung, Werkzeuge und Geräte aus Atomkraftwerken. Diese bringen nach Angaben des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) zwar nur 1 Prozent der Aktivität mit sich, machen aber 95 Prozent des gesamten Volumens der radioaktiven Abfälle aus.
Und dann sind da noch die Kosten. Eine Kommission hat die Gesamtkosten unter anderem für Stilllegung und Rückbau der Meiler sowie die Transporte und die Lagerung der Abfälle auf 48,8 Milliarden Euro geschätzt. Daraufhin wurde ein Fonds eingerichtet, in den die Betreiber der Atomkraftwerke einzahlen mussten. Aus diesem Betrag soll die Zwischen- und Endlagerung bezahlt werden - ob die Summe reichen wird, ist jedoch noch ungewiss.
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