BERLIN. Trotz rasant steigender Corona-Infektionszahlen ist die Mehrheit der Menschen in Deutschland gegen eine Wiedereinführung kostenloser Tests.
In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprechen sich 54 Prozent für eine Beibehaltung der aktuellen Regelung aus, nach der Corona-Tests nur in Ausnahmefällen nichts kosten. Nur 38 Prozent sagen, die Tests sollten wieder für alle kostenfrei sein. 8 Prozent machen keine Angabe. Bund und Länder hatten im August entschieden, die im Frühjahr eingeführten kostenlosen Tests für alle zum 11. Oktober auslaufen zu laufen.
Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) berät mit den Parteien der voraussichtlichen Ampel-Koalition dagegen laut einem Ministeriumssprecher über die Wiedereinführung der kostenlosen Bürgertests. Die Entscheidung von Bund und Ländern im August für ein Ende der kostenfreien Tests ab Oktober sei damals richtig gewesen. Seitdem sei bei den Erstimpfungen ein Anstieg zu erkennen, sagte der Sprecher.
»Der Minister sieht es auch so, dass es genauso richtig ist, sie in dieser vierten Welle vorübergehend wieder einzuführen und er ist zu einem möglichen Neustart der kostenlosen Bürgertests im konstruktiven Austausch mit den Ampel-Koalitionären.«
Neue Regelungen für Testangebot angedacht
Aus Fraktionskreisen hatte es am Wochenende geheißen, die drei möglichen Koalitionspartner wollten unter anderem neue Regelungen zum Testangebot festschreiben. Auf eine bundesweite 2G-Regel wollen die Ampel-Parteien verzichten. Wie die »Bild am Sonntag« unter Berufung auf Verhandlungskreise berichtete, erwägen SPD, Grüne und FDP unter anderem eine tägliche Testpflicht für Mitarbeiter und Besucher in Pflegeheimen - unabhängig davon, ob diese geimpft oder genesen sind.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte in der »Bild«-Zeitung (Montag), dies sofort umzusetzen und nicht bis zum 25. November zu warten. Zudem müsse die Testpflicht für die gesamte Altenpflege gelten, »auch für eine Million Menschen, die durch ambulante Dienste zu Hause betreut werden«. SPD-Fraktionsvize Wiese betonte in der »Bild«-Zeitung, die Testpflicht sei schon jetzt möglich. »Wir stellen rechtlich klar, was in einigen Ländern bereits praktiziert wird.«
Zu Details der Neuregelung wollte sich Göring-Eckardt nicht äußern. Zur Frage, ob es eine bundesweite 2G-Regel, also Zutritt nur für Geimpfte und Genesene, geben soll, sagte sie, das lasse sich aus ihrer Sicht nicht rechtssicher bundesweit machen.
Vertreter von Grünen und FDP plädierten zugleich dafür, Corona-Bürgertests im Winterhalbjahr wieder kostenfrei anzubieten. »Die Abschaffung der kostenlosen Bürgertests war ein Fehler«, sagte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Wiedereinführung wäre ein Beitrag, um Infektionsketten schneller zu unterbrechen, sagte er. Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, sprach sich in der »Welt« ebenfalls für die Rückkehr zu Gratistests aus, mahnte aber Verbesserungen an: »Testergebnisse müssen bei Rückkehr zu kostenlosen Bürgertests verbindlich per QR-Code einlesbar und beispielsweise von Veranstaltern beziehungsweise Gastronomen wie in unseren Nachbarländern ausschließlich digital kontrolliert werden.«
Wissenschaftler: Lage auf Intensivstationen wird schlimmer
Unterdessen spitzt sich die Lage in den Intensivstationen zu. Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), sagte der »Augsburger Allgemeinen«, in den kommenden Wochen werde sich die Zahl der Corona-Patienten auf Intensivstationen voraussichtlich fast verdoppeln, wenn die Neuinfektionen weiter so steigen wie bisher. »Bei einer Inzidenz von 300 erwarten wir bundesweit etwa 4500 Covid-Patienten mit großen regionalen Unterschieden«, warnte Karagiannidis. Am Montagmorgen kletterte die bundesweite Sieben-Tage- Inzidenz je 100.000 Einwohner auf den Rekordwert von 201,1.
Der Deutsche Lehrerverband sorgt sich unterdessen über die Lage an den Schulen. »Es gibt erschreckende Inzidenzen in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen«, sagte Verbandspräsident Hans-Peter Meidinger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er befand: »Die Gefahr ist immens, dass wir die Kontrolle über das Pandemiegeschehen an Schulen verlieren.« Er warb zugleich für eine Maskenpflicht an Schulen und kritisierte die unterschiedlichen Länderregelungen dazu. Meidinger plädierte zudem dafür, dass sich ungeimpfte Lehrer sich bei sehr hohen Infektionszahlen täglich testen lassen. (dpa)