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Ukrainerinnen fordern Freilassung Gefangener

Russland nahm Tausende ukrainische Kämpfer in Kriegsgefangenschaft, darunter die Mariupol-Verteidiger. In Kiew melden sich nun die Ehefrauen, Mütter und Schwestern zu Wort. Sie sind in größter Sorge.

Ukraine-Krieg
Die Ukrainerin Natalija Sarizka hat die Organisation »Frauen aus Stahl« gegründet. Foto: Ulf Mauder
Die Ukrainerin Natalija Sarizka hat die Organisation »Frauen aus Stahl« gegründet.
Foto: Ulf Mauder

Nach der Gefangennahme Hunderter ukrainischer Kämpfer des Asow-Regiments in der Hafenstadt Mariupol haben die Schwestern, Ehefrauen und Mütter Russland zur Freilassung der Männer aufgefordert.

Die Verteidiger von Mariupol hätten heldenhaft und auf Befehl die Stadt gegen russischen Angriffe verteidigt. »Sie sind Helden und dürfen nicht in Vergessenheit geraten und müssen nach Hause zurückkehren«, sagte Natalija Sarizka am Montag in Kiew vor Journalisten.

Neue Organisation »Frauen aus Stahl«

Sie ist Initiatorin der neuen Organisation »Frauen aus Stahl« in Anlehnung an die Männer, die wochenlang in dem Asow-Stahlwerk in Mariupol die Stellung gehalten hatten, bis sich die letzten von ihnen am 20. Mai in Gefangenschaft begaben. Sarizka und weitere Frauen forderten die internationale Gemeinschaft auf, alles für die Freilassung der Männer zu tun.

Auch Kriegsgefangene hätten Rechte, sagte Sarizka. Sie hat zu ihrem Mann seit dem 17. Mai keinen Kontakt mehr. Dabei stünden ihm etwa zwei Telefonate pro Woche zu. »Wir stehen als Frauen zusammen. Unsere Stärke ist der Zusammenhalt«, sagte sie.

Nach russischen Angaben kamen etwa 2500 Kämpfer in Gefangenschaft. Unklar ist, wo sie festgehalten werden. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte den Vereinten Nationen und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz zugesichert, dass die Männer gemäß den internationalen Rechtsstandards behandelt würden. Sie sollten auch medizinisch versorgt werden.

»Dieses Versprechen ist die einzige Hoffnung, dass er zumindest das hält«, sagte Sandra Krotewytsch über den Kremlchef. Ihr Bruder Bohdan Krotewytsch (29) sei stellvertretender Kommandeur des Asow-Regiments gewesen. »Ich weiß nicht, wo er ist, wie es um seine Gesundheit steht. Ihm drohen Folter und Misshandlungen in russischer Gefangenschaft«, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Kiew. Sie hoffe, dass er über ein Drittland in die Ukraine zurückkehren könne.

Krotewytsch: Macron und Scholz sollen als Vermittler helfen

Jene Politiker wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die einen Draht hätten nach Moskau, müssten hier helfen als Vermittler, sagte Krotewytsch. Zu den in Russland zur Schau gestellten halbnackten Gefangenen, die vielfach auch mit Nazi-Symbolen tätowiert waren, sagte sie: »Mein Bruder war da nicht zu sehen. Diese Bilder sagen aber gar nichts. Es gibt keinen einzigen Beweis dafür, dass hier Nazis agieren«, sagte sie.

Kremlchef Putin begründet seinen Krieg gegen die Ukraine immer wieder damit, er wolle das Land von »drogensüchtigen Nazis« befreien. Krotewytsch bezeichnete das als Unsinn. »Menschen mit solchen Tätowierungen gibt es überall, in Russland – und wahrscheinlich auch in Deutschland. Das beweist gar nichts.« Im Asow-Regiment hätten Krim-Tataren, Muslime, Juden und auch Buddhisten gedient, sagte Krotewytsch. Sie stammt von der Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die 2014 von Russland annektiert wurde. Heute lebt sie in Kiew.

Hoffnung haben die Frauen, dass die Männer als Teil eines Gefangenenaustausches in die Ukraine zurückkehren können. Die prorussischen Separatisten im Gebiet Donezk hatten zuvor angekündigt, die Gefangenen als Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Menschenrechtler haben Zweifel, dass die Verfahren fair verlaufen. Zudem kann in dem Gebiet auch die Todesstrafe verhängt werden.

© dpa-infocom, dpa:220530-99-485135/4