Logo
Aktuell Inland

Ukrainer in Deutschland: Viele sind gekommen, um zu bleiben

Eine Million Menschen sind aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Grundsätzlich sind sie willkommen, vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Doch die Herausforderungen der Integration liegen im Detail.

Geflüchtete
Geflüchtete aus der Ukraine nach ihrer Ankunft am Berliner Hauptbahnhof. Foto: Kay Nietfeld/DPA
Geflüchtete aus der Ukraine nach ihrer Ankunft am Berliner Hauptbahnhof.
Foto: Kay Nietfeld/DPA

Nachdem Wladimir Putin seinen Krieg gegen die Ukraine begann und die Menschen in Scharen aus dem Land flohen, wurde der Gedanke höchstens hinter vorgehaltener Hand geäußert: Könnten die Flüchtlinge nicht auch einen wertvollen Beitrag liefern, um den eklatanten Mangel an Arbeitskräften in Deutschland zu beseitigen?

Gut ein Jahr nach dem Beginn der Kämpfe wird die Frage offener gestellt. Antworten auf diese und weitere Fragen gibt eine neue Studie zum Leben der Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland vierer deutscher Institute, die vorgestellt wurde. Das Bild, das daraus entsteht, ist durchwachsen.

Anzahl und Beschäftigungssituation

Rund eine Million Menschen sind seit Februar 2022 aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Mehr als ein Drittel davon sind Kinder. Nach den jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sind derzeit 87.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt, weitere 27.000 haben einen Minijob. Die Erwerbsquote liegt derzeit bei 18 Prozent, wie die neue Studie ergab. Dass sie etwa in Polen höher liegt, findet Yuliya Kosyakova vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), nicht verwunderlich. Die kulturelle und sprachliche Integration falle vielen dort leichter.

Kosyakova und ihre Kollegen vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB), vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) befragen seit dem Spätsommer 2022 regelmäßig Menschen aus der Ukraine nach ihren Lebensumständen in Deutschland. In der ersten Welle wurden 11.000 Menschen befragt, nun liegen die Ergebnisse der zweiten Befragungswelle vor, an der noch knapp 7000 teilnahmen.

Eine der wesentlichen Erkenntnisse ist, dass viele der Menschen aus der Ukraine längerfristig in Deutschland bleiben wollen. Im Vergleich zur ersten Befragungswelle stieg der Prozentsatz um 5 Punkte auf 44. Die meisten (79 Prozent) leben in einer privaten Wohnung oder in einem Haus. Der überwiegende Teil will rasch eine Arbeit aufnehmen. Es gibt zwei Hindernisse: Die meist noch schwach ausgeprägten Kenntnisse der deutschen Sprache, auf die Arbeitgeber in Deutschland großen Wert legen, und die Kinderbetreuung.

Kinderbetreuung und Spracherwerb

Letzteres ist ein Problem, das sich lindern, aber nicht vollends lösen lässt. Während 92 Prozent der deutschen Kinder zwischen drei und sechs Jahren eine Kita besuchen, sind es bei den in Deutschland lebenden Ukrainern nur etwa 50 Prozent. Die Kita-Betreuung ist nicht nur wichtig, um den Eltern Zeit zum Lernen und Arbeiten zu verschaffen. Es geht auch um das psychische Wohlbefinden der oft von Kriegserlebnissen, Flucht und Trennung traumatisierten Kinder.

»Ein ausreichend großes Angebot an Kita-Plätzen ist wichtig. Für Eltern, um Sprachkurse besuchen und eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können - und für Kinder, um die Sprache zu lernen, einen strukturierten Alltag zu haben und Freunde zu finden«, sagte Andreas Ette, Leiter der Forschungsgruppe Internationale Migration am BIB in Wiesbaden.

Beim Spracherwerb ist gerade vieles im Fluss. Mehr als 300.000 Ukrainer haben einen Integrationskurs begonnen, vor allem, um Deutsch zu lernen. In diesem Jahr haben bereits 100.000 Ukrainer den Deutschtest für Zuwanderer (DTZ) absolviert. Diese Menschen werden jetzt allmählich interessant für Arbeitgeber. Vor Monaten waren die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge organisierten Kurse voll mit Ukrainern - inzwischen ist die Quote zurückgegangen, die Ukrainer machen nur noch 50 Prozent unter den derzeit 190.000 Kursteilnehmern aus, heißt es vom Bundesamt.

© dpa-infocom, dpa:230712-99-378323/2