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Ukraine fordert vor Kiew-Reise Panzer von Scholz

Für 350 Millionen Euro hat die Bundesregierung in den ersten drei Kriegsmonaten Rüstungsgüter in die Ukraine geliefert. Das reicht Kiew aber bei weitem nicht. Vor dem erwarteten Scholz-Besuch wird der Druck erhöht.

Kampfpanzer
Ein Kampfpanzer der Bundeswehr vom Typ Leopard 2 A7V steht auf dem Übungsplatz. Foto: Philipp Schulze
Ein Kampfpanzer der Bundeswehr vom Typ Leopard 2 A7V steht auf dem Übungsplatz.
Foto: Philipp Schulze

Vor dem bald erwarteten Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi in Kiew dringt die Ukraine auf Waffenlieferungen in großem Umfang.

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, forderte von Scholz die Zusage von Leopard-Kampfpanzern und Marder-Schützenpanzern. »Ohne deutsche schwere Waffen wird es uns leider nicht gelingen, die gewaltige militärische Überlegenheit Russlands zu brechen und das Leben von Soldaten und Zivilisten zu retten«, sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte von Scholz eine eindeutigere Positionierung im Ukraine-Krieg. »Wir brauchen von Kanzler Scholz die Sicherheit, dass Deutschland die Ukraine unterstützt. Er und seine Regierung müssen sich entscheiden«, sagte er in einem Interview des ZDF-»heute-journals«, in dem er auch Zögerlichkeit Deutschlands bei Waffenlieferungen beklagte.

Ein Berater von Präsident Selenskyj erklärte, die Ukraine brauche 1000 schwere Artilleriegeschütze (Haubitzen), 300 Mehrfachraketenwerfer, 500 Panzer, 2000 gepanzerte Fahrzeuge und 1000 Drohnen, um den Krieg gegen die russischen Angreifer zu gewinnen. Selenskyj selbst forderte die Lieferung moderner Luftabwehrsysteme. Seit der russischen Invasion im Februar seien ukrainische Städte von gut 2600 feindlichen Raketen getroffen worden, sagte er. »Das sind Leben, die hätten gerettet werden können, Tragödien, die hätten verhindert werden können - wenn die Ukraine erhört worden wäre.«

Kanzler reagiert verärgert auf Kritik

Scholz wies den Vorwurf der Zögerlichkeit zurück. Er verwies auf die Ausbildung für die ukrainischen Streitkräfte, die für die teils sehr modernen und komplizierten Waffensysteme erforderlich sei. »Es geht um richtig schweres Gerät. Das muss man benutzen können, dafür muss man trainiert werden, das findet in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig statt«, sagte Scholz. Alle versprochenen Waffen würden geliefert. Auf die Kritik am Tempo reagierte der Kanzler verärgert: »Ich glaube, dass es wirklich eine gute Sache wäre, wenn der eine oder andere noch mal kurz überlegt, bevor er seine Meinung zu dem einen oder anderen Thema äußert.«

Zu den Berichten über die Kiew-Reise schwieg Scholz. »Ich glaube, der Regierungssprecher hat alles das, was wir jetzt zu diesen Themen sagen können, bereits gesagt«, sagte er. Die Sprecher der Bundesregierung haben die Berichte weder bestätigt noch dementiert. Das gilt auch für die anderen beiden beteiligten Länder. Die italienische Zeitung »La Stampa« berichtete, die drei Staats- und Regierungschefs würden am Donnerstag in der ukrainischen Hauptstadt erwartet.

Kriegswaffen für 220 Millionen in gut drei Monaten

Selenskyj hat Scholz schon vor Wochen eingeladen. Der Kanzler hat stets betont, er werde nur nach Kiew reisen, wenn es konkrete Dinge zu besprechen gebe. Die Ukraine erwartet von Deutschland vor allem Unterstützung für eine EU-Beitrittskandidatur sowie weitere Waffenlieferungen.

In den ersten gut drei Kriegsmonaten hat die Bundesregierung Waffen und Rüstungsgüter für 350 Millionen Euro für die Ukraine genehmigt. Seit Kriegsbeginn am 24. Februar bis zum 1. Juni gab sie grünes Licht für die Lieferung von Kriegswaffen wie Panzerfäusten und Flugabwehrraketen für 219,8 Millionen Euro und sonstige Rüstungsgüter wie Helme und Schutzwesten für 85,2 Millionen Euro. Hinzu kommen Waffen und Ausrüstung der Bundeswehr für 45,1 Millionen Euro, die ab dem 1. April in einem vereinfachten Verfahren genehmigt wurden. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Seit dem 3. Mai nur noch Munition in der Ukraine angekommen

Schwere Waffen aus Deutschland sind aber noch nicht in der Ukraine angekommen. Seit dem 3. Mai seien zwar sechs Millionen Schuss Munition angekommen, aber keine Waffen mehr, sagt Botschafter Melnyk. »Daher hoffen wir, dass die Ampel-Regierung endlich auf das Gaspedal drückt, um sowohl den Umfang als auch das Tempo massiv zu erhöhen, damit die Ukraine die russische Großoffensive im Donbass abwehren kann.«

Die Ukrainer erwarteten, dass Scholz bei seinem Besuch in Kiew ein neues Hilfspaket verkündet, das unbedingt »sofort lieferbare Leopard-1-Kampfpanzer sowie Marder-Schützenpanzer beinhalten soll«. Das Rüstungsunternehmen Rheinmetall hat Marder- und Leopard-Panzer angeboten.

Bereits zugesagt hat die Bundesregierung sieben Panzerhaubitzen, vier Mehrfachraketenwerfer, etwa 50 Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard und ein Raketenabwehrsystem vom Typ Iris-T. Die Ukraine erwartet, dass die ersten Panzerhaubitzen innerhalb der nächsten beiden Wochen eintreffen. Die Lieferung der ersten Gepard-Flugabwehrpanzer sei für Juli geplant, heißt es aus ukrainischen Regierungskreisen. Das Raketenabwehrsystem Iris-T wird frühestens im Oktober erwartet.

Waffenlieferungen aus den USA in Milliardenhöhe

Zum Vergleich:

- Die USA haben der Ukraine von Kriegsbeginn bis zum 1. Juni nach Regierungsangaben Waffen und Ausrüstung im Wert von 4,6 Milliarden Dollar (4,37 Milliarden Euro) zugesagt oder geliefert. Dazu gehören zahlreiche schwere Waffen, zum Beispiel Haubitzen und Mehrfachraketenwerfer.

- FRANKREICH hat der Ukraine nach Angaben des Verteidigungsministeriums bereits Waffen für über 100 Millionen Euro geliefert, darunter neben Panzerabwehrraketen des Typs Milan auch die Haubitze Caesar (rund ein Dutzend) und andere Waffen.

- Gemessen an ihrer Wirtschaftskraft haben die drei kleinen baltischen Staaten besonders viele Waffen geliefert. ESTLAND hat nach Regierungsangaben bisher Militärhilfe im Wert von mehr als 220 Millionen Euro für die Ukraine geleistet, die aus LETTLAND gelieferten Waffen und Ausrüstung sollen einen Wert von mehr als 200 Millionen Euro haben und das Verteidigungsministerium in LITAUEN beziffert die militärische Hilfe auf 115 Millionen Euro.

Auch Union erhöht Druck auf Ampel-Koalition

Auch die Unionsfraktion im Bundestag will den Druck auf die Ampel-Koalition zur Unterstützung der Ukraine mit schweren Waffen erhöhen. Sie bereitet dazu einen Antrag vor, in dem sie fordert, den gemeinsamen Bundestagsbeschluss hierzu endlich voll umzusetzen. »Die Bundesregierung missachtet den eindeutigen Beschluss des Parlaments«, sagte der Vizevorsitzende der Fraktion, Johann Wadephul (CDU), der dpa.

Die Linken-Politikerin Dagdelen forderte dagegen stärkere diplomatische Bemühungen statt Waffenlieferungen. »Statt Kiew weiter für eine sinnlose Verlängerung des Krieges aufzurüsten und die Illusion von einem Siegfrieden über Russland zu nähren, sind konkrete diplomatische Initiativen für eine Verhandlungslösung mit Sicherheitsgarantien für alle Seiten gefordert.«

© dpa-infocom, dpa:220613-99-641711/6