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Ukraine-Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt

Aus der Ukraine sind vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen geflohen. Um ihnen das Ankommen in Deutschland zu erleichtern, braucht es passgenaue Angebote.

Bundeskanzleramt
Auf dem Boden liegend protestieren diese Menschen vor dem Bundeskanzleramt gegen den Krieg in der Ukraine. Foto: Kay Nietfeld
Auf dem Boden liegend protestieren diese Menschen vor dem Bundeskanzleramt gegen den Krieg in der Ukraine.
Foto: Kay Nietfeld

Neben der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge aus der Ukraine rückt rund zwei Monate nach Kriegsbeginn jetzt ihre Integration stärker in den Blick.

Bund, Länder und Kommunen waren sich bei einem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt einig, dass vor allem das Angebot an Kinderbetreuung und Schulbildung verbessert werden muss. Denn ein großer Anteil der Geflüchteten sind Frauen mit Kindern. Viele geflüchtete ukrainische Frauen haben eine Ausbildung, doch nur sehr wenige sprechen Deutsch.

»Die Städte haben gemeinsam mit den Bundesländern begonnen, Kinderbetreuung und Unterricht für ukrainische Kinder zu organisieren - hier brauchen wir deutlich mehr Kapazitäten«, sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU), am Montag zu Beginn des Gesprächs, an dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und weitere Kabinettsmitglieder teilnahmen. Der Bund sollte sich an den Kosten dafür beteiligen, forderte der Städtetag. Nötig seien zudem schnelle Anerkennungsverfahren für Lehrkräfte und Erzieherinnen aus der Ukraine.

Viele wollen schnell wieder zurück

Sowohl die Behörden als auch Hilfsorganisationen und Freiwillige, die sich seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine um die Ankommenden kümmern, berichten allerdings von der Schwierigkeit, vorzusorgen für eine Situation, die vom Kriegsverlauf abhängig und daher schlecht planbar ist. »Viele wollen so schnell es geht wieder zurück. Einige sind es schon. Aber wenn wir nach Mariupol oder in den Donbass schauen, ist eine schnelle Rückkehr nicht für alle möglich« sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), mit Blick auf die große Zerstörung in diesen Gebieten. Darum brauche es für sie nun Perspektiven und Chancen auf Teilhabe in Deutschland.

Bis Montag hat die Bundespolizei die Einreise von heute 379 123 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine festgestellt. Da Ukrainer für 90 Tage ohne Visum einreisen können und an den EU-Binnengrenzen in der Regel keine stationären Kontrollen vorgesehen sind, dürfte die genaue Zahl der Kriegsflüchtlinge jedoch deutlich höher sein. Registrieren müssen sich Ukrainer erst nach Ablauf von 180 Tagen oder wenn sie zuvor staatliche Leistungen beantragen. Bis Ende vergangener Woche hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) etwa 180 000 Schutzsuchende aus der Ukraine registriert und erkennungsdienstlich behandelt. Unter ihnen sind nach Auskunft des Bundesinnenministeriums rund 7500 Menschen mit nicht-ukrainischer Staatsangehörigkeit.

69 Prozent sind weiblich

Von den registrierten ukrainischen Staatsangehörigen sind den Angaben zufolge etwa 69 Prozent weiblich. Rund 39 Prozent der dem Bamf bekannten ukrainischen Schutzsuchenden sind Kinder. »Es muss möglichst bald eine zentrale Erfassung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aus der Ukraine geben«, sagte der Geschäftsführer von Save the Children, Florian Westphal, nach dem Treffen der Deutschen Presse-Agentur. Etliche Minderjährige seien zudem in Begleitung von »entfernten Bekannten« eingereist. Es sei wichtig, dass auch, was diese Gruppe angehe, die Jugendämter vor Ort informiert würden - auch da, wo diese Kinder und Jugendlichen privat untergebracht seien. Wünschenswert wäre es aus seiner Sicht, überall da, wo Flüchtlinge neu ankommen, sichere Orte einzurichten, wo Kinder spielen könnten und betreut würden. Dort bestehe dann auch die Möglichkeit, mögliche Probleme und Betreuungsbedarf zu erkennen.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), sagte nach Angaben von Teilnehmern, es sei wichtig, die ukrainische Kultur in Deutschland zu fördern. Russlands Präsident Wladimir Putin wolle »das ukrainische Volk auslöschen und seine Identität«, dem müsse man entgegenwirken.

Alabali-Radovan dankte den Ländern für die Unterbringung von so vielen Menschen binnen kürzester Zeit. Sie sagte, der Bund werde dabei finanziell unterstützen und dazu an diesem Mittwoch im Kabinett einen Ergänzungshaushalt beschließen.

Nicht-öffentliches Treffen im Anschluss

»Aus den bewegenden Begegnungen mit Geflüchteten können wir nur erahnen, welch unfassbares Leid die russischen Truppen der Zivilbevölkerung antun«, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Emotionale Momente gab es nach Angaben von Teilnehmern auch bei dem nicht-öffentlichen Treffen im Kanzleramt, zu dem Vertreter mehrerer ukrainische Vereine eingeladen worden waren.

Anders als bei der Flüchtlingskrise von 2015 sind unter den Geflüchteten diesmal auch zahlreiche alte Menschen mit Pflegebedarf. Von den hochbetagten Überlebenden des Holocaust, die über eine von der Jewish Claims Conference organisierte Evakuierung in Sicherheit gebracht wurden, werden rund 60 Menschen in Deutschland versorgt.

© dpa-infocom, dpa:220425-99-40479/3