Der ukrainische Botschafter in Deutschland hat die Vermittlungsbemühungen von Altkanzler Gerhard Schröder im Ukraine-Krieg für gescheitert erklärt.
»Die Sache ist für uns endgültig erledigt«, sagte Botschafter Andrij Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. »Für die Ukraine machen weitere Gespräche Schröders gar keinen Sinn. Es ist schon traurig zu beobachten, wie die ganze Sache schief gelaufen ist.«
Schröder war am Mittwoch vergangener Woche von Istanbul aus nach Moskau gereist, wo er nach dpa-Informationen am Donnerstag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sprach. Schröder ist seit langem mit Putin befreundet. Der Altkanzler ist zudem für die Erdgas-Pipeline-Unternehmen Nord Stream 1 und 2 als Lobbyist tätig sowie Aufsichtsratschef beim russischen Ölkonzern Rosneft.
Melnyk spricht von »Trauerspiel«
Melnyk betonte erneut, dass die Initiative für die Vermittlungsaktion von Schröder ausgegangen sei. »Es gab schon gewisse Hoffnung auf Resultate, sonst hätte sich keiner in der Ukraine bereit erklärt, ihm Gehör zu schenken«, sagte er. Am Sonntagnachmittag sei ein ukrainischer Mittelsmann von Schröder persönlich über den Verlauf der Gespräche in Moskau informiert worden.
»Die Ergebnisse waren aber absolut nutzlos. Es wurde gar nichts Neues berichtet, was wir nicht schon aus unseren eigenen Gesprächen mit der russischen Seite gewusst hätten«, sagte Melnyk. »Sehr schade, dass diese Chance vergeudet wurde.« Der Botschafter sprach von einem »Trauerspiel«.
Die Bundesregierung war nach eigenen Angaben nicht vorab von Schröder über seine Moskau-Reise informiert worden und anschließend auch zunächst nicht über die Ergebnisse. Derzeit laufen direkte Gespräche zwischen der Ukraine und Russland. Dabei werden inzwischen Dokumente für mögliche direkte Gespräche zwischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj und Putin ausgearbeitet.
Baerbock: »Diktatfrieden hat wenig mit Frieden zu tun«
In einer Bundestagsdebatte äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zurückhaltend dazu. Es sei zwar wichtig, dass es jetzt diese Kontakte gebe. »Aber auch hier müssen wir für uns selber ehrlich sein: Wir wissen nicht, ob das wirklich Gespräche sind.« Sie betonte: »Ein Diktatfrieden hat wenig mit Frieden zu tun.« Wenn man über Friedensgespräche rede und zeitgleich Krankenhäuser und Wohngebäude bombardiere, »dann geht es wohl nicht wirklich um Gespräche«.
An diesem Donnerstag will sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache an die Abgeordneten des Bundestags wenden. Melnyk fordert Bundeskanzler Olaf Scholz auf, anschließend eine Regierungserklärung abzugeben. Er solle sagen, wie Deutschland die Ukraine weiter unterstützen wolle. »Es wäre genau drei Wochen nach Kriegsbeginn an der Zeit, dass der deutsche Regierungschef sich wieder dazu äußert und ganz konkrete Hilfsmaßnahmen avisiert.«
Es gehe ihm dabei sowohl um weitere Waffenlieferungen als auch um massive wirtschaftliche Unterstützung sowie um Unterstützung für die Kriegsflüchtlinge, betonte Melnyk. Es sei sehr vieles geschehen seit der ersten Regierungserklärung des Kanzlers zum Krieg. »Deswegen hätte eine weitere klare Stellungnahme nicht nur für uns, die Ukrainer, sondern sicherlich auch für die Deutschen einen großen Stellenwert.«
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sören Bartol bezeichnete Melnyk via Twitter als »unerträglich«, löschte den Tweet jedoch kurze Zeit später wieder. »Insbesondere die Anführungszeichen waren ihm gegenüber respektlos, dafür entschuldige ich mich bei ihm ausdrücklich«, schrieb der Staatssekretär im Bauministerium in einem weiteren Tweet. In dem gelöschten Tweet hatte Bartol geschrieben: »Ich finde diesen «Botschafter» mittlerweile unerträglich.«
Zu dem Vorfall sagte Melnyk im TV-Sender Welt: »Menschlich kann man das nur schwer verarbeiten. Ich bin kein Automat. Wir sind alle Menschen.« Andere Dinge seien indes wichtiger. »Im Moment geht es nicht darum, ob man sich beleidigt fühlt oder nicht, ob man darauf reagiert, sondern es geht darum, dass richtige Schritte unternommen werden«, sagte der Botschafter. Damit meine er, »dass der Ukraine geholfen werden muss - auch in Berlin. Darum geht es mir. Dafür zu werben, dass dieses Verständnis auch bei den Abgeordneten, vor allem der Ampel-Koalition, ankommt.«
Selenskyj hat 20 Minuten
Die Bundesregierung unterstützt die Ukraine sowohl mit Waffenlieferungen als auch finanziell. Deutschland hat auch schon Zehntausende Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Scholz hatte bereits am 27. Februar, Tag vier des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, eine Regierungserklärung im Bundestag abgegeben.
Selenskyj wird am Donnerstag um 9 Uhr in den Plenarsaal des Bundestags per Video zugeschaltet, bevor die reguläre Sitzung beginnt. Dafür sind 20 Minuten vorgesehen. Anschließend beginnt die Debatte zur Impfpflicht. Auch Oppositionsführer Friedrich Merz hat die Tagesordnung kritisiert. »Wir empfinden das als völlig unpassend«, sagte der CDU/CSU-Fraktionschef am Dienstag.
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